Zum Hauptinhalt springen

Die Baustellen des François Hollande

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Europaarchiv

Arbeitslosigkeit und hohe Schulden zählen zu den größten Problemen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Paris. Seinen Wunsch nach einer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung, um seine politischen Projekte umsetzen zu können, haben die französischen Wähler ihrem Präsidenten François Hollande erfüllt: Mit 314 von 577 Sitzen sind die Sozialisten und ihre engsten Verbündeten bei Gesetzesvorhaben nicht von grünen oder radikal linken Partnern abhängig. Und wären da nicht die Wähler in La Rochelle und Vogesen gewesen, wäre es wohl der perfekte Tag für Hollande gewesen. So bleibt aber zumindest der kleine Wermutstropfen, dass mit Segolene Royal und Jack Lang zwei sozialistische Spitzenpolitiker nicht den Einzug ins Parlament geschafft haben. Die 58-jährige Ex-Präsidentschaftskandidatin, die über viele Jahre Hollandes Lebensgefährtin war, hat in ihrem Wahlkreis gegen Partei-Dissident Olivier Falorni verloren. Dieser war zum Entsetzen vieler Genossen ausgerechnet von Hollandes aktueller Partnerin Valerie Trierweiler unterstützt worden.

Viel Zeit um seinen Erfolg zu genießen, hat Hollande allerdings nicht. Nachdem Frankreichs neuer Präsident bis jetzt vor allem wohltuende Wahlversprechen einlöste wie eine Finanzspritze für Familien zum Schuljahresbeginn und die Blockade der Wohnungsmieten, werden nun konkrete Maßnahmen von ihm erwartet, um die Probleme des Landes in den Griff zu bekommen. Vor allem die hohe Staatsverschuldung von fast 90 Prozent des BIP und die steigende Arbeitslosigkeit bedürfen einer raschen Lösung. Experten halten sein Programm aber für unterfinanziert und seine Konjunkturprognosen für zu optimistisch. Premierminister Jean-Marc Ayrault hat "schwierige Entscheidungen" angekündigt, die den Franzosen einiges abverlangen. Wie diese aussehen, bleibt unscharf. Eine Übersicht über die größten Baustellen:

Steuerreform: Während die Vorgängerregierung Top-Verdiener eher entlastet hat, plant Hollande eine Umverteilung von oben nach unten. Den Spitzensteuersatz will er hinaufsetzen und Einkommen ab einer Million Euro gar mit 75 Prozent besteuern. Auch große Konzerne sollen stärker belastet werden zugunsten kleiner und mittelständischer Unternehmen. Kritiker halten dies vor allem für symbolische Maßnahmen und befürchten eine generelle Erhöhung der Einkommensteuer. Sarkozys Mehrwertsteuer-Erhöhung will Hollande rückgängig machen.

Staatsquote: Frankreich hat einen aufgeblasenen Staatsapparat und die höchste Staatsquote in Europa. Deshalb hat Sarkozy die rigorose Maßnahme eingeführt, von zwei ausscheidenden Beamten nur noch einen zu ersetzen, die Hollande scharf kritisierte. Stattdessen kündigte er 60.000 neue Lehrer bis 2017 an, sowie neue Stellen bei Polizei und Justiz. Ein Versprechen, das schwer einhaltbar scheint - womöglich muss er bald gegensteuern.

Pensionsreform: Sarkozys Rentenreform nimmt Hollande teilweise zurück: Wer mit 18 Jahren anfing zu arbeiten und 41 Jahre lang eingezahlt hat, darf weiter mit 60 statt 62 Jahren in Pension gehen. Das betrifft nur einen Bruchteil der Franzosen. Experten warnen allerdings, dass angesichts der verschuldeten Pensions- und Sozialkassen und der hohen Lebenserwartung ein späteres Renteneintrittsalter notwendig wäre. Ob Hollande dazu den Mut haben wird? Auch Sarkozy hatte die Rentenreform im Wahlkampf nicht angekündigt, sondern erst angesichts des finanziellen Engpasses durchgesetzt.

Arbeitsmarkt: Strukturelle Reformen oder eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sind nicht in Sicht - obwohl der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 in Frankreich als Vorbild gilt. Hollande setzt auf Maßnahmen wie den "Generationenvertrag": Unternehmen, die jeweils einen Arbeitnehmer unter 30 und einen über 55 einstellen, verspricht er Befreiung der Sozialabgaben.

Europapolitik: Hollande hat angekündigt, den Fiskalpakt um wachstumsfördernde Elemente erweitern zu wollen. Seinen europäischen Partnern schlägt er ein Maßnahmenbündel in Höhe von 120 Milliarden Euro vor.