Nach der Bedrohung der Pride-Parade präsentiert ein EU-Projekt Wege, um extremistische Straftäter zu deradikalisieren.
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So aktuell hätte die Veranstaltung im Justizministerium nicht werden sollen. Die Präsentation des EU-Projektes Eutex zur Behandlung extremistischer Straftäter während und nach einer Haftstrafe kommt nur einen Tag, nachdem die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) bekannt gab, einen möglichen Anschlag auf die Regenbogenparade in Wien verhindert zu haben. Drei Personen zwischen 14 und 20 Jahren sollen konkrete Pläne gehabt haben, einen extremistischen Anschlag auf der diesjährigen Regenbogenparade auszuüben. In einer am Sonntag eilig einberufenen Pressekonferenz sprach DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner von Messern und dem möglichen Einsatz von Kraftfahrzeugen.
Die Verdächtigen sollen engmaschig kontrolliert worden sein, Haijawi-Pirchner sprach davon, sie "unter ständiger Kontrolle" gehalten zu haben. Vor einer tatsächlichen Gefährdung hätten die Sicherheitsbehörden zugegriffen, Hausdurchsuchungen durchgeführt und drei Personen festgenommen. Bei den Hausdurchsuchungen fanden die Beamten neben Datenträgern auch Wurfsterne, Gasdruckwaffen und einen Säbel.
Zwei Verdächtige, einer 14, der andere 17 Jahre alt, befinden sich nun in Untersuchungshaft. Der dritte, ein 20-jähriger St. Pöltner, wurde wieder enthaftet. Von ihm dürfte keine Gefahr ausgehen, so die Einschätzung des Haftrichters. Alle drei sind österreichische Staatsbürger mit tschetschenischen und bosnischen Wurzeln. Für die Besucher der Parade, die eine Inklusion und Akzeptanz aller sexuellen Ausrichtungen bewirbt, habe nie eine Gefahr bestanden, so Haijawi-Pirchner am Sonntag.
ÖVP will mehr Überwachung
Dabei haben die Sicherheitsbehörden lange zugewartet. Erst eine Stunde vor Beginn der Regenbogenparade griffen Beamte des Sondereinsatzkommandos Cobra ein. Die Exekutivkräfte wollten sichergehen, dass so noch möglichst viel gerichtlich verwertbares Material auf den sichergestellten Handys und Datenträgern der Tatverdächtigen zu finden ist.
"Nicht mehr modern und zeitgemäß" nannte deshalb Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Montag die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Überwachung von digitalen Inhalten. Bei Diensten wie WhatsApp, Signal und Telegram können Behörden abgefangene Nachrichten nicht lesen. Immer wieder fordert Haijawi-Pirchner eine Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten. Nach richterlicher Anordnung soll man, wenn es nach der DSN geht, künftig zeitgleich mitlesen, und nicht erst über Sicherstellungen Monate später Nachrichten einsehen können. Ein Weg dorthin wäre wohl ein Staatstrojaner. Der grüne Koalitionspartner erteilte dem prompt eine Absage. Karner ging es nach eigenen Aussagen "nicht um Massenüberwachung", sondern darum die "einzelnen Gefährder aus dem Verkehr zu ziehen".
Extremisten werden jünger
Ein weiteres Problem: Die Extremisten werden immer jünger. Über soziale Netzwerke wie TikTok und YouTube verbreiten sich radikale Predigten sehr schnell, wenn jemand eine gesehen hat, werden ihm weitere vorgeschlagen. Ein Teufelskreis.
Das sieht auch Peter Neumann, Extremismusforscher des King’s Colleges in London so. Er war Gastredner zur terroristischen Bedrohungslage im Justizministerium. Dass schon ein 14-Jähriger dem Extremismus verfallen ist, sei nicht unüblich. Generell hat sich der Terrorismus in den letzten Jahren stark verändert. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" hat nur noch ein kleines Gebiet unter Kontrolle, verliert seine Mobilisierungs- und Begeisterungsfähigkeit während sich Al-Kaida gerade wieder stärken will.
Dafür gibt es andere gefährliche Tendenzen: Immer öfter würden Angriffe von Einzeltätern und kleinen Gruppen ausgeübt. Große Netzwerke werden von Sicherheitsbehörden schnell aufgedeckt und zerschlagen. "Es ist schwerer geworden, unbemerkt etwas aufzubauen", so Neumann. Solche Attacken würden zwar weniger tödlich enden, sind aber häufiger. Und oft spreche man von einem Einzeltäter, dabei habe er Unterstützer, warnt der Forscher. Auch beim Wien-Attentäter vom 2. November sei das passiert. Laut DSN-Chef Haijawi-Pirchner hatten die drei Verdächtigen vom Sonntag keine weiteren Komplizen. Deshalb sei die Parade auch nicht abgesagt worden.
Risiko-Einschätzung
Das EU-Projekt Eutex will unterdessen Wege aufzeigen, wie extremistische Straftäter wieder in die Gesellschaft integriert werden können. Die Ergebnisse wurden bei einer Veranstaltung im Justizministerium vorgestellt. Unter der Leitung des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP) wurden europäische Risiko-Analysetools für Gefährder analysiert, zusammengeführt und weiterentwickelt. Mit sogenannten Fachkonferenzen soll es Behörden nun möglich sein, das Gefahrenpotenzial einer Person einzuschätzen - etwa vor einer möglichen Bewährung.
Gleichzeitig wurden strukturierte Module vorgestellt, um extremistische Straftäter schon im Gefängnis zu betreuen und von ihrer gefährlichen Ideologie wegzubekommen. Solche Programme gibt es in Österreich laut OIIP derzeit nicht. Im Zuge dessen wurden Justizmitarbeiter und Sozialarbeiter in zehn Ländern geschult. Fünf davon in Österreich.