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Die beliebtesten Irrtümer zur Monarchie

Von Tibor Pásztory

Gastkommentare

Otto Habsburg ist tot. Mit Sicherheit handelte es sich bei dieser bunte Persönlichkeit auch um den Weltrekordhalter im Falsch-angesprochen-werden und im Falsch-interpretiert-werden.


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Es sind nicht die Dümmsten und Ungebildetsten, die noch am Todestag des letzten österreichisch-ungarischen Thronfolgers und nachmaligen österreichischen Widerstandsführers gegen das NS-Regime medial zu Wort kamen. Dabei kam viel Faires über den Verstorbenen zutage, das diesem zeit seines Lebens zum Teil verwehrt blieb.

Doch ein grundsätzlicher Irrtum bleibt selbst von den größten Bewunderern Otto Habsburg-Lothringens unkorrigiert: Als nämlich in den zahlreichen Nachruf-Sendungen auf den Verstorbenen immer wieder die Frage auftauchte, ob "Otto Habsburg Monarchist oder Demokrat" war, eierten sämtliche Experten um eine korrekte Antwort herum, etwa: "Ja, er war sicher Monarchist, aber wurde im Laufe seines Lebens immer mehr zum Demokraten."

Diese häufige Antwort war mit Sicherheit gut gemeint, doch sie geht an jedwedem verfassungsrechtlichen Grundwissen vorbei. Monarchie und Demokratie sind nämlich kein Widerspruch - diese zwei Ebenen haben schlichtweg nichts miteinander zu tun.

Ein paar Beispiele: Grob die Hälfte (!) der Alt-EU-Mitgliedsstaaten (also der EU-Mitglieder vor deren Osterweiterung) sind bis heute Monarchien: Großbritannien, Spanien, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Dänemark und Schweden. All diese Staaten sind lupenreine Demokratien - jedenfalls um keinen Millimeter weniger als Westeuropas Republiken. Bei den Nicht-EU-Monarchien Norwegen, Liechtenstein, Monaco und Andorra verhält es sich nicht anders, ebenso bei den außereuropäischen Monarchien Japan, Australien, Neuseeland und Kanada.

Umgekehrt lehrt uns die Geschichte, dass ungezählte Republiken mit Demokratie nichts am Hut haben wollen, wie unzählige historische Beispiele vom österreichischen Ständestaat über das Dritte Reich und die Sowjetunion bis hin zum Chile General Augusto Pinochets belegen. Auch heute sind die meisten Diktaturen weltweit Republiken.

Ein weiterer Irrtum, dem selbst mancher Historiker unterliegt, ist die Konfusion über die Anrede Otto Habsburgs als "Erzherzog". Diese stand nämlich schon in der Habsburger-Monarchie nicht für eine politische Funktion. Vielmehr waren (und sind) alle Mitglieder der Familie Habsburg-Lothringen vom Adelsrang Erzherzöge, so wie andere Adelige eben Barone oder Grafen sind - und all diese Titel in sämtlichen Rechtsprechungen Europas außer der österreichischen als Teil des Namens und nichts anderes gesehen werden.

Im gleichen Sinne ist die Anrede "Kaiserliche Hoheit" zu verstehen. Diese hatte und hat nichts mit dem Job eines Kaisers zu tun, sondern gilt als höfliche Anrede gegenüber Mitgliedern der Familie Habsburg-Lothringen, vergleichbar mit der Anrede "Hochwürden" einem Priester gegenüber.

Der letzte Thronfolger Österreich-Ungarns wird demnächst zu Grabe getragen. Dies sollte Anlass sein, das allgemeine Geschichtswissen - nicht zuletzt in Hinblick auf die laufende Bildungsdiskussion - etwas nachzuschärfen.

Tibor Pásztory ist Journalist und Historiker.

Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.