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Ein Amtsvermerk zeigt, wie der Ex-Spionagechef im Verfassungsschutz Informanten traf, ohne das zu dürfen.
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Wien. Langsam, aber sicher dreht sich der BVT-Untersuchungsausschuss zum zweiten großen Thema nach den Razzien am 28. Februar 2018 weiter: dem vermuteten "schwarzen Netzwerk" aus ÖVP-nahen Beamten im Innenministerium (BMI).
Eine zentrale Rolle dabei, das stellte sich in zahlreichen Befragungen bereits heraus, dürfte nicht nur der ehemalige ÖVP-Kabinettschef Michael Kloibmüller gespielt haben. Erste stichhaltige Einblicke über die Zustände im ÖVP-geführten BMI gibt nun ein Aktenvermerk der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der der "Wiener Zeitung" vorliegt. Es geht um Bernhard P., den gekündigten Leiter der Nachrichtendinst-Abteilung im BVT. Die WKStA ermittelt gegen P. wegen möglichem Amtsmissbrauch, vor allem in der Causa nordkoreanische Reisepässe und in der Causa der Daten des SPÖ-nahen Rechtsanwalts Gabriel Lansky. Für P. gilt die Unschuldsvermutung.
Was die Staatsanwälte zu P.s Verhalten als Spionage-Chef zusammengetragen haben, ist hochbrisant und dürfte Wasser auf die Mühlen jener sein, die das im anonymen "Konvolut" aus Anschuldigungen gegen die BVT-Spitzen behauptete "schwarze Netzwerk" ernst nehmen.
Vertragsbediensteter trifft Informanten
P. arbeitete seit 2006 als Referent in der Nachrichtendienst-Abteilung, die er ab 2014 leitete. Allerdings ist P. kein Beamter, sondern ein Vertragsbediensteter - als solcher verfügte P. über keine Berechtigung zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt. Darunter fällt auch, so ist im Aktenvermerk der WKStA zu lesen, die als "Kriminalpolizei" oder gar als "verdeckte Ermittlung" bezeichnete Zusammenarbeit mit Vertrauenspersonen oder Informanten. Genau das aber tat P., auch das zeigt der Akt zweifelsfrei, seit 2014 in sehr intensiver Art und Weise.
Stolze 28 Mal legte P. von 1. Jänner 2014 bis zum 31. Dezember 2017 seinem Dienstgeber Kostenersatzrechnungen für bei Treffen mit Informanten getätigte Auslagen vor. Das ist überdurchschnittlich viel, wie die WKStA-Ermittler eigens ausgerechnet haben: Zwischen sieben und 11 Prozent aller Refundierungsersuchen zwischen 2014 und 2017 stellte P. alleine, 2017 waren es von rund 300 Anträgen ganze 34. Die Aussage eines Ermittlers des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung vergangene Woche vor dem U-Ausschuss, wonach P. ein "Datensammler schlechthin" sei, erscheint so in einem besonderen Licht.
Spätestens mit dem Erlass "Zentrale Quellenbewirtschaftung" von 2016, der eine aus 2006 stammende Dienstanweisung ersetzte, waren Bedienstete in Leitungsfunktionen explizit vom "Führen von Vertrauenspersonen oder Informanten ausgeschlossen". Nur speziell geschulte Kriminalbeamte mit einer Exekutivermächtigung im Staatsschutz-Bereich, die zudem ein Eignungsverfahren bestehen müssen, durften ab 2016 als Vertrauenspersonen fungieren, die grundsätzlich nur zu zweit Informanten des Staatsschutzes zu treffen hatten. Erst mit einem Bescheid des damaligen Generaldirektors für die Öffentliche Sicherheit, Franz Lang, vom 28. Juni 2017 wurde der leitende Vertragsbedienstete P. zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt.
"Keinen einzigen solchen Refundierungseintrag" habe P. laut den WKStA-Ermittlern einbringen dürfen. "Noch hinterfragenswerter" aber ist für die Staatsanwälte das Nichtreagieren der Vorgesetzten von P. Im Akt ist gar die Rede davon, selbige hätten P.s Verhalten noch gefördert.
"Sehr geehrter Herr Kabinettchef, lieber Michael!"
So gehe aus der Aufarbeitung eines anderen BVT-relevanten Falles hervor, dass just Konrad Kogler und der damalige stellvertretende BVT-Direktor Wolfgang Zöhrer gewesen waren, die P. mit dem deutschen Privatdetektiv Werner Mauss zusammenbrachten.
Aus den Mails im Amtsvermerk geht auch hervor, wie sich P. um die Genehmigung zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt bemühte. Von einem BMI-Mitarbeiter, einem Sachbearbeiter Information, ließ er sich im April 2012 eine Vorlage für ein entsprechendes Ansuchen zuschicken. Retour bekam der Beamte einen "Entwurf" P.s.
Für den BVT-U-Ausschuss besonders interessant dürfte aber die politische Konnotation des Falls P. sein. Aus zahlreichen Emails, die dem Amtsvermerk beiliegen, geht nämlich hervor, wie sich Bernhard P. über die Jahre bei ÖVP-Politikern, allen voran Michael Kloibmüller ("Lieber Michael!"), für eine auf ihn zugeschnittene Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes starkmachte. Er ersuche dringend, "auch die Interessen der wenigen Führungskräfte in unserem Ministerium zu berücksichtigen, die andere Lebenswege hinter sich gebracht haben". Diese sollen "auch als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes tätig werden können". "Werde das einspeisen", antwortete Kabinettschef Kloibmüller. "Wäre aber gut, wenn du parallel dazu das auch bei der GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Anm.), am besten bei Norbert Schnedl, vorbringst." "DANKE DIR!", antwortete wiederum P., "Habe mit Schnedl schon geredet – werde das nochmals tun. Werner A bin ich in Kontakt wegen Termin". Werner A, damit ist ÖVP-Abgeordneter und Fraktionschef im U-Ausschuss, Werner Amon, gemeint.
Auf Anrufe reagierte Amon am Donnerstagnachmittag nicht. Gegenüber dem "Standard" sagte Amon aber, er könne sich nicht erinnern, ob P. damals an ihn herangetreten war. Zudem habe er "solche Fragen immer von den Wünschen der Gewerkschaft abhängig gemacht". "Habe am Mo ein Gespräch mit WA, das wird alles noch lustig …", schrieb P. Anfang März 2014 an einen weiteren BMI-Beamten. Das Bittmail an Michael Kloibmüller erhielt – vertraulich – auch Mathias Vogl, heute Personalchef im BMI.
P.s Bemühungen waren schließlich 2016 von Erfolg gekrönt. Im Rahmen der damaligen Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes wurde eine entsprechende Änderung im Sinne von P.s Anliegen umgesetzt. Dessen Anwalt weist alle Vorwürfe "entschieden zurück". Der Staatsanwaltschaft sei "noch immer nicht klar, wie ein Nachrichtendienst funktioniert", sagte er dem "Standard". P. habe zudem "nie verdeckt ermittelt".