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Spitzenpolitiker, die für ihre Partei eine Wahl vermasselt haben, sind weder unfähig noch unbrauchbar. Die Parteien tun sich aber schwer damit, sie richtig einzusetzen.
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Was nach einer verlorenen Wahl mit den dafür verantwortlich gemachten Spitzenkandidaten geschehen soll, ist ein unbewältigtes Problem. Exkanzler Alfred Gusenbauer, Eremit in der Arbeiterkammer in St. Pölten, ist ein Beispiel dafür.
Die ÖVP tut sich nicht leichter. Sie muss die Garnitur Wolfgang Schüssel aus der Niederlage von 2006 und die Garnitur Wilhelm Molterer nach dessen Absturz im September vorigen Jahres aufarbeiten. Wohin mit den Leuten?
Vernünftigerweise sollte natürlich das, was Politiker im harten Feldzug um Wählerstimmen (nicht) leisten, getrennt von dem beurteilt werden, was sie rein sachlich können. Wer keine Wahlen gewinnt, kann dennoch hervorragende Arbeit leisten. Allerdings sagt sich das so leicht, denn wer soll sie in Kommission, Enqueten und Expertenrunden, die ja letztlich doch wieder öffentlichkeitswirksam sind, einsetzen? Etwa die vom ersten Tag unter Erfolgsdruck stehenden Nachfolger - das wären im konkreten Fall die Chefs in Regierung und Parteien, Werner Faymann und Josef Pröll? Diese scheuen das politische Leichengift. Und wenn nicht, ist´s auch nicht recht: Dem ehemaligen Kanzlerkandidaten Wilhelm Molterer ist oft genug vorgeworfen worden, dass er sich von seinem Mastermind Schüssel nicht emanzipierte.
Dankbar zeigen sich Parteien nur dann, wenn genügend Posten zum Schachern vorhanden sind. Die sind im Inland knapp geworden, und die Europäische Union hat - entgegen ihrem Ruf als Superbürokratie - absolut nicht so viel anzubieten, wie zur Entsorgung übrig gebliebener Politiker erforderlich wäre. Das ist nicht ihre Aufgabe.
Dem Mangel an brauchbaren Jobs in der EU steht ein personelles Überangebot vor allem auf der Seite der ÖVP gegenüber. Wenn die SPÖ überlegt haben soll, Charly Blecha oder Josef Cap ins EU-Parlament zu schicken, so wirkt das zumindest beim Erstgenannten, dem Pensionistenchef Blecha, eher wie eine kuriose Restlverwertung, während Cap schon vom Unterhaltungswert ein Gewinn in Brüssel sein könnte.
Bei der ÖVP hingegen türmen sich die Talente - nicht nur langjährige Regierungsarbeit, sondern auch das eindeutige Bekenntnis zu Europa scheint sich bezahlt zu machen. Hinter Molterer, der den ihm zugeschriebenen Posten des Landeswirtschaftskommissars allerdings noch nicht gepachtet hat, stehen der Reihe nach - egal ob sie überhaupt Ambitionen hätten oder nicht - als gleichermaßen versierte Talente: Schüssel, Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, die von der "Kronen Zeitung" aus der Regierung geschossene Ex-Außenministerin Ursula Plassnik und zweifellos auch die derzeitige EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner.
Ob das personelle Engagement in Brüssel der Entsenderpartei daheim viel bringt, ist sowieso zweifelhaft. Die Parteien einschließlich der Grünen werden es schwer haben, auch nur für die Europa-Wahl im Juni entsprechende Aufmerksamkeit zu gewinnen - die Stimmung in Österreich ist nicht so. Und wenn die Bevölkerung jetzt merkt, dass Bundeskanzler und Vizekanzler auf ihren Reisen zur Eindämmung der Finanzkrise mehr abfahren als ankommen, könnte auch das den landesüblichen Trotz gegenüber der EU steigern. Und falls es wirklich den Landwirtschaftskommissar für einen Österreicher geben sollte - im Jahr 2013 wird dieser weniger zu verteilen haben als je zuvor.
Wichtig wäre jedenfalls, die Besten tatsächlich einzusetzen und nicht in irgendeinem Archiv zu vergraben.