Dieser Wahlkampf ließ viele Wähler ratlos zurück. Die alten programmatischen Gegensätze schienen nicht mehr zu gelten und waren stattdessen von einem neuen Gegensatz - Populismus versus Nicht-Populismus - überlagert. Offensichtlich war Programmatik durch professionelle Public Relations ersetzt, zudem mangelte es an überzeugenden Persönlichkeiten.
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Trotzdem haben sich die Wähler entschieden - und einige klare Trends sind zu erkennen. Die Regierungsparteien wurden für ihre wenig überzeugende Tätigkeit eindeutig abgestraft. In Oesterreich regierten nach dem Urteil der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in letzter Zeit "Gaukler und Komödianten" und der Grundsatz, dass demokratische Politik nicht nur Akklamation, sonder auch Verantwortung bedeutet, war weitgehend außer Kraft gesetzt. Das haben die Wähler nicht honoriert und es zeigt die Grenzen eines Regierungspopulismus, der kein Morgen zu kennen scheint, deutlich auf. Auch Platz eins muss unter diesen Umständen als ein höchst problematischer "Sieg" gesehen werden. Die Farbe Grün ist angesichts der Stagnation unter den Wählern deutlich verblasst, die kleinen Parteien waren chancenlos, und der rechte Populismus, der sich geschickt als Alternative zur Regierung darstellte, konnte eine reiche Ernte einfahren. Zusammen hätten die blau-orangen verfeindeten Brüder Position eins erreicht.
Ein Blick in die Zukunft eröffnet hauptsächlich düstere Perspektiven. Was sich an möglichen Regierungskoalitionen anbietet, ist von vornherein als sehr unstabil anzusehen. Rot-Schwarz geht sich rechnerisch - fast möchte man sagen: noch - aus, die bisweilen angedeutete Möglichkeit einer roten Minderheitsregierung mit blau-oranger Duldung ist rein mathematisch ebenso denkbar. Alle anderen Kombinationen scheinen auf den ersten Blick unrealistisch. Eine rot-schwarze - "große" kann man dazu nicht mehr sagen - Koalition würde wohl nur dann einigermaßen funktionieren, wenn beide Parteien ihre Spitzenteams austauschten. Eine Minderheitsregierung wäre von vornherein nur ein Experiment mit offenem Ablaufdatum.
Dazu kommt noch, dass sich die Welt von Österreichs Schwierigkeiten kaum beeindrucken lassen wird. Was immer im Wahlkampf diskutiert wurde: Die EU ist eine bestimmende Realität, die weltweite Finanzkrise geht weit über die Probleme der Teuerung in Österreich hinaus, von internationalen Instabilitäten und globalen Herausforderungen ganz abgesehen. Vielleicht verhilft der Außendruck dieser Probleme zu einer innenpolitischen Stabilisierung. Falls nicht, ist zu befürchten, dass die Laufzeit einer nächsten Regierung nicht von langer Dauer sein wird.
Mit anderen Worten: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Dabei wird der engagierte Wähler unter anderem von einem Wahlrecht träumen dürfen, welches klare Mehrheiten und damit politische Verantwortung ermöglicht.
Peter Gerlich ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Wien.
"Die Regierungsparteien wurden für ihre wenig überzeugende Tätigkeit eindeutig abgestraft."
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