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Die Bettler eröffnen den Wahlkampf

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Schwarz und Grün gehen immer öfter getrennte Wege. | Schielt die ÖVP für Landtagswahl auf "rechten Rand"? | Graz/Wien. Noch keine anderthalb Jahre existiert die schwarz-grüne Koalition in Graz, schon kriselt es heftig. Die grüne Vizebürgermeisterin Lisa Rücker wirft dem schwarzen Stadtchef Siegfried Nagl vor, sein Verhalten sei "koalitionsgefährdend". Dieser hatte nämlich in der Vorwoche gegen die Stimmen des Koalitionspartners, dafür mit jenen von BZÖ und FPÖ eine Resolution beschlossen, um der zunehmenden Bettelei in der steirischen Landeshauptstadt Herr zu werden.


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Konkret geht es um eine Verschärfung des Landes-Sicherheitsgesetzes, die heute, Dienstag im Verfassungsausschuss des steirischen Landtags debattiert wird. Hier fordert die ÖVP eine Konkretisierung dessen, was unter "aggressivem Betteln" verstanden wird, und eine Ausweitung der Schutzmaßnahmen für Kinder auf Menschen mit Behinderungen, wie Nagl-Sprecher Thomas Rajakovics der "Wiener Zeitung" erklärt. Auch soll organisierte Bettelei unter Strafe gestellt werden. Im Prinzip wolle man "nichts anderes, als es in Wien schon gibt".

Auch abseits des Bettlerstreits gehen ÖVP und Grüne in letzter Zeit immer öfter getrennte Wege. Sei es bei einer Brücken-Umbenennung, einem Sicherheitspaket oder Petitionen für das Verbot der Ersatzdroge Substitol: Jeweils zog Nagl ein rechtes Bündnis dem grünen Partner vor.

Im Falle der Bettler gehe man aber einen anderen Weg als FPÖ und BZÖ, so Rajakovics: Im Gegensatz zu den freiheitlichen Parteien sei man nicht gegen die (zumeist ausländischen) Bettler, sondern nur gegen das organisierte Betteln.

Lisa Rücker (Grüne).

Das sieht die SPÖ anders und will einen Abänderungsantrag zur "strengen Fassung der ÖVP" einbringen, sagt SPÖ-Klubobmann Walter Kröpfl. Ob einer der beiden Anträge durchgeht, hängt laut Kröpfl auch von KPÖ und Grünen ab. Letztere lehnen jede Verschärfung irgendwelcher Bettelverbot ab. Findet sich eine Mehrheit, könnte am 7. Juli ein Beschluss gefasst werden. Andernfalls werden laut Kröpfl beide Anträge über den Sommer im Unterausschuss debattiert.

Mit ihrem Antrag wollen die Sozialdemokraten verhindern, dass die Bettler zur Verantwortung gezogen werden, etwa mit Verwaltungsstrafen. Vielmehr will die SPÖ die Hintermänner ins Visier nehmen.

Ein Pfarrer regt sich auf

Wie die bürgerlichen Parteien vermutet also auch die SPÖ, dass sich in Graz eine kriminelle Organisation der Bettlerszene bemächtigt hat. Davon geht auch die Ordnungswache aus, die seit November 2007 in der Grazer Innenstadt für Sauberkeit und Ordnung sorgt. Ganze "Massen" an Behinderten kämen seit einigen Wochen nach Graz, "busweise", heißt es aus der Ordnungswache. Zusätzlich zu den slowakischen Roma, die schon seit Jahren in Graz anzutreffen sind, seien es jetzt Hunderte Roma aus Rumänien und Bulgarien.

"Alles Legende", entrüstet sich Pfarrer Wolfgang Pucher, Vater der Vinzi-Bewegung, der seit Jahren Obdachlose und vor allem die slowakischen Bettler betreut. Von einer Explosion der Bettlerzahlen könne überhaupt keine Rede sein. Außer in den Festzeiten vor Weihnachten und Ostern gebe es nie mehr als 70 Bettler in Graz. Sogar die Polizei habe mittlerweile bestätigt, dass es in Graz keine Anzeichen von organisierter Bettelei gebe. Das hieße, dass es gar keine "Hintermänner" gibt, die man ins Visier nehmen könnte.

Neben Pucher sind auch Caritas-Direktor Franz Küber und Bischofsvikar Heinrich Schnuderl gegen eine Verschärfung des Landessicherheitsgesetzes.

Dass Bürgermeister Nagl wie zuletzt in einem "Krone"-Interview die Bürger auffordere, "keinen Cent für Bettler" herzugeben, sei "ein Aufruf zu Unmenschlichkeit und Unbarmherzigkeit", empört sich der Armenpfarrer. Wieso Nagl das tut? "Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen und die ÖVP will ihren rechten Rand nicht an Strache und Grosz (steirischer BZÖ-Obmann, Anm.) verlieren", so Pucher. Somit hätte der Grazer Bürgermeister den Landtagswahlkampf eröffnet.

Kopf an Kopf

SPÖ und ÖVP liegen einer aktuellen Umfrage zufolge in der Steiermark rund 15 Monate vor der nächsten Landtagswahl - der wahrscheinliche Termin ist der 3. Oktober 2010 - Kopf an Kopf. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) kann auf den Amtsinhaber-Bonus setzen, wenngleich seine bundespolitischen Interventionen ihm stimmungsmäßig offenbar eher geschadet haben. Eine in der "Steirerkrone" veröffentlichte Imas-Umfrage weist für beide Parteien 37 Prozent aus.

Wissen

Paragraph 3a des Steirischen Landes-Sicherheitsgesetzes stellt "aggressives Betteln" und Betteln mit Kindern unter Strafe:

"(1) Wer in aufdringlicher Weise, wie durch Anfassen, unaufgefordertes Begleiten und Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen bettelt, begeht eine Verwaltungsübertretung.

(2) Wer eine unmündige minderjährige Person (im Sinne des § 21 ABGB) zum Betteln, in welcher Form auch immer, veranlasst oder diese bei der Bettelei mitführt, begeht eine Verwaltungsübertretung."