Bluttest für DNA von Embryonen wirft ethische Fragen auf. | Wien. Eine 35-jährige Frau hat ihre erste Schwangerschaft. In der 12. Woche erfährt sie im Zuge der üblichen Untersuchungen, dass ihr Baby schwer behindert sein wird. Soll sie ihr Kind, dessen Herzschlag sie bereits im Ultraschall sieht, nun abtreiben? Oder auf das Diktat ihrer Hormone hören, die ihr gebieten, werdendes Leben zu schützen, um aber dann wahrscheinlich ein behindertes Kind zur Welt zu bringen?
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Niemand wünscht sich, eine derartige Entscheidung treffen zu müssen. Heute gehört sie jedoch zum medizinischen Alltag, was vor zehn Jahren kaum vorstellbar war. Manche Schwangere verweigern den mittlerweile routinemäßig durchgeführten "Nackenfaltentest", der als Hinweis auf Anomalien gilt. Nach dem Motto: Es ist, wie es ist. Zu gravierend die Entscheidung, Leben leben zu lassen - oder eben nicht.
Jüngst hat der medizinische Fortschritt weitere ethische Fragen aufgeworfen. Aus einem Blutstropfen einer Schwangeren kann das gesamte Genom des Embryos abgelesen werden - bereits in der Früh-Schwangerschaft und ohne Risiko für Kind und Mutter.
Jedes Ungeborene gibt über sein Blut sein Erbgut an die Mutter ab. Das gesamte fetale Genom stellt dort fünf bis zehn Prozent, wie Dennis Lo von der Universität Hong Kong festgestellt hat. Hintergrund der in "Science Translational Medicine" offengelegten Ergebnisse war die Suche nach einer Erbkrankheit.
Vorerst nur Forschung
Vater und Mutter eines Kindes waren Genträger von Thalassämie - eine Erkrankung der roten Blutkörperchen, bei der zu wenig Hämoglobin gebildet wird. Da die Eltern unterschiedliche Ausprägungen des Gendefekts hatten, musste mit einem aufwendigen Bluttests ermittelt werden, ob das Kind an Thalassämie erkranken wird oder in welchem Ausmaß es die Krankheit selbst vererben könnte. Zusätzlich zu üblichen Tests auf Gen-Defekte mussten die Forscher also vier Milliarden Genfragmente sequenzieren. Dabei wurden 94 Prozent des fetalen Genoms entschlüsselt.
Zwar dürfte sich diese Untersuchungsmöglichkeit zunächst auf die Forschung beschränken, denn der Aufwand steht nicht in Relation zum Nutzen. Zudem wäre "jeder Befund pathologisch, man wird immer etwas finden", sagt der Fachhumangenetiker Markus Hengstschläger. Nur bei Erbleiden könne sie sinnvoll sein.
Dennoch ist die Katze aus dem Sack. Embryonen sind offene Bücher und lesbar für jeden. Wird es tief unter der Erde eine Gen-Bibliothek aller Neugeborenen geben ähnlich wie das Foto-Archiv von Getty Images? Oder werden Pharma-Konzerne Schnelltests für Baby-Gene anbieten? In manchen Ländern würden dann womöglich mehr Mädchen abgetrieben. So es solche Tests je gibt oder sie je zum Einsatz kommen.