Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Forderung von ÖGB-Chef Erich Foglar nach einem zusätzlichen Schuljahr legt immerhin den Finger auf eine Wunde, die in der Bildungsdebatte bisher nicht einmal mit verbalen Polit-Pflastern verdeckt wurde: Die Zahl der Jugendlichen, die eine Lehre abbrechen oder nicht zur Lehrabschlussprüfung antreten, liegt bei erschreckenden 15 Prozent. Der Großteil dieser Jugendlichen holt diese Ausbildung nie wieder nach. Frustrierendes Fazit dieser Entwicklung: 17 Prozent der 15- bis 24-Jährigen verfügen nur über einen Pflichtschulabschluss, und in dieser Gruppe unterscheidet sich die Arbeitslosenrate nicht mehr so rasend von der in Spanien . . .
Während sich also die Politik in sinnlose Bildungsdogmen verbeißt, fallen jedes Jahr tausende Jugendliche aus dem Bildungssystem. Und die genannten Zahlen steigen - eine unwürdige Entwicklung.
Faktum ist, dass durch die sinkende Zahl von Ausbildungsbetrieben das an sich geniale "duale Ausbildungsprinzip" immer stärker ausgehöhlt wird. Nur noch 20 Prozent der Unternehmen bilden Lehrlinge aus.
Diese Unternehmen wiederum beklagen sich, dass sich immer mehr Jugendliche bewerben, die trotz Schulabschluss Schwächen in den wesentlichen Kulturtechniken aufweisen.
Lehrer und Bildungsexperten wiederum beklagen, dass viele (meist ebenfalls schlecht ausgebildete) Eltern wenig oder gar kein Augenmerk auf die Bildung ihrer Kinder legen.
Teile der Eltern, Schulen und Unternehmen nehmen also ihre Verantwortung nicht wahr. Trotz Milliarden-Ausgaben bei Familienbeihilfen, Bildungskosten und Lehrlingsförderung.
Alles auf den Staat abzuwälzen, greift in der Bildungsdebatte also viel zu kurz. Es gilt ein gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen, dass Bildung der vornehmste Weg ist, um Wohlstand und Demokratie auf Niveau zu halten.
Nichts davon findet statt. Das Bildungsvolksbegehren wird weg-administriert. Die Lehrergewerkschaft ergeht sich in antiquierten Machtspielen mit dem Ministerium, die ÖVP sucht eine Position zum Thema, und die SPÖ muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass im "roten Wien" die Zahl der Lehrabbrecher besonders hoch ist. Der Kanzler preist in der EU die "duale Ausbildung" in Österreich als Vorbild - sie ist es auch. Aber sie unterliegt einem gefährlichen Erosionsprozess - wie auch Wohlstand und Demokratie.