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Die Blamage ist perfekt

Von WZ-Korrespondent Axel Eichholz

Politik

Mit dem vorgetäuschten Anschlag auf den Journalisten Babtschenko hat sich die Ukraine ins eigene Bein geschossen.


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Kiew/Moskau. Der Weltschmerz um den Meuchelmord am ukrainefreundlichen russischen Journalisten Arkadi Babtschenko hat nicht einmal volle 24 Stunden gehalten. Denn Babtschenko lebt. Der Jubel über die frohe Kunde hält sich jedoch in Grenzen. Seine Freunde und der Westen fühlen sich missbraucht.

Journalistenkollegen hatten bereits die Nachrufe geschrieben - jetzt müssen sich alle aus der blöden Situation irgendwie herauswinden. An eine Spezialoperation des ukrainischen Geheimdienstes SBU glaubt in Russland niemand: Nur mit einer Finte habe man ein Komplott des russischen Geheimdienstes gegen Babtschenko verhindern können, lautet die ukrainische Rechtfertigung.

Der Erzfeind der Urkaine, Russlands Präsident Wladimir Putin, kann jetzt - mit Blick auf den vermeintlichen Giftanschlag auf einen russischen Ex-Spion in London - mit den Achseln zucken: Die Geschichte wiederhole sich.

Sympathien verspielt

Babtschenko hat wohl die Sympathien der liberalen Gleichgesinnten verspielt. Sein früherer Kollege Alexander Minkin von der kritischen "Moskowski Komsomolez" brachte es auf den Punkt: "Der Weltschmerz ist in einen Misthaufen getreten." Babtschenkos Mutter und Frau hätten vor Kummer über seinen Tod sterben können, schreibt Minkin. Die Freunde hätten sich bereits betrunken.

Nun müssten sie wohl aus Freude über seine wundersame Auferstehung noch einen saufen. So etwas mache man einfach nicht. Schon gar nicht dem ukrainischen Geheimdienst zuliebe. Nur wenige eingeweihte Berichte aus Kiew bestätigen, dass hinter der Inszenierung des Mordes der Generalstaatsanwalt der Ukraine und der Geheimdienst SBU standen. Auf der Kiewer Pressekonferenz am Mittwoch gaben sie zu, dass die Vorbereitungen dafür zwei Monate in Anspruch genommen hatten. Vor einem Monat sei Babtschenko einbezogen worden.

Premier wusste nichts

Offenbar wurde die Aktion vom Präsidenten Petro Poroschenko genehmigt. Nach Bekanntgabe der Einzelheiten gratulierte dieser den Beteiligten zum "glänzenden Abschluss" der Spezialoperation. Andere ukrainische Spitzenpolitiker müssen dagegen bis zuletzt ahnungslos gewesen sein. Der ukrainische Premier Wladimir Groisman brandmarkte kurz vor Beginn der "Offenbarungspressekonferenz" die "russische totalitäre Maschine" und forderte die Bestrafung der Mörder. Außenminister Pawlo Klimkin, der sich in New York aufhielt, änderte im letzten Moment seine Rede vor dem Weltsicherheitsrat, in der er keinen Zweifel an der Mordversion ließ.

Der Ablauf der Affäre zeigte, dass auch die Kiewer Polizei völlig ahnungslos war, dass es sich hier um eine reine Inszenierung handelte. In der Nacht zum Mittwoch wurden am Ort des angeblichen Mordes in kurzen Zeitabständen Pressekonferenzen einberufen. Im Internet tauchten Kommentare der Verantwortlichen und Fotos auf: Sie zeigten die in einer Blutlache liegende Journalistenleiche mit drei Einschusslöchern am Rücken.

Am Mittwoch sicherte dann Poroschenko Babtschenko und seiner Familie persönlichen Schutz durch die Polizei "rund um die Uhr" zu. Babtschenko hat mit seiner Teilnahme an der ukrainischen Geheimdienstoperation vor allem eines erreicht: In absehbarer Zeit wird er nicht nach Moskau zurückkehren können.