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Die BoJo-Show ist zu Ende

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Der Rücktritt von Boris Johnson war längst überfällig.


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Sein recht legerer Umgang mit der Wahrheit hat Boris Johnson bis hinter die Türe von Downing Street Number 10 gebracht. Seine Lügen haben nun dazu geführt, dass er seine Sachen packen und aus der erlauchten Adresse im Londoner Stadtteil Westminster wieder ausziehen muss.

Lügen, um den Briten den Brexit zu verkaufen. Lügen, um die Tatsache zu vertuschen, dass Johnson mit seinen Kabinettsmitarbeitern Partys feierte, während der Rest des Landes im harten Lockdown praktisch unter Hausarrest stand. Und schließlich Lügen, um zu verwischen, dass er sehr wohl gewusst hatte, dass gegen einen Parlamentarier der konservativen Fraktion, den er zum stellvertretenden Klubobmann gemacht hat, Vorwürfe der sexuellen Belästigung laut geworden waren.

Doch Johnsons Charakterfehler hat in den bisher 1.080 Tagen, seit er Premierminister des Vereinigten Königreiches ist, seine konservative Partei durchsetzt.

Boris Johnson, der nichts dagegen hatte, dass er in den Medien in der Verniedlichungsform "BoJo" auftauchte, hat bis zuletzt nicht verstanden, warum er selbst für die ehrvergessensten konservativen Mitstreiter, die seine charakterliche Amtsunfähigkeit bisher nur wenig gestört hat, am Ende untragbar geworden ist.

Der "Herdentrieb" habe eben dazu geführt, dass er fallengelassen wurde, sagte Johnson, das "Darwinistische System" werde eine neue politische Führungsfigur hervorbringen. Die Tory-Abgeordneten, nichts als ein Pack instinktgesteuerter Rindviecher? Da klingt viel Enttäuschung über den Undank der Partei durch, die er im Dezember 2019 zu einem historischen Wahlsieg geführt hat. Denn Johnson war zum Kitt einer zersplitterten Konservativen Partei geworden, von der ein Teil die libertären, marktliberalen Traditionen der Ära Margaret Thatchers hochhält, während ein anderer Teil interventionistischen und protektionistischen Trieben folgt und für die Wahlsiege in einstmals Labour-dominierten Wahlbezirken verantwortlich ist.

Johnson versprach allen alles: Vor den altkonservativen Thatcher-Fans predigte er die Vorzüge des Freihandels, den Populismus-affinen Neukonservativen versprach er mehr Protektionismus. Die Formel für diesen widersprüchlichen Unsinn: der Brexit.

Doch das Brexit-Luftschloss ist längst in sich zusammengestürzt, nun ist auch der Architekt des Desasters auf dem Asphalt der politischen Realität zerschellt. Das Bizarre daran: Johnson kann das Verdienst für sich beanspruchen, mit dem Brexit die größte historische Veränderung für das Königreich seit dem Jahr 1973 (dem Jahr des Beitritts zur Europäischen Gemeinschaft) herbeigeführt zu haben. Das Chaos, das er damit angerichtet hat, dürfen jetzt andere aufräumen.