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Die Bootsfahrt übers Meer als einzige Chance

Von Ali Sandeed

Gastkommentare
Ali Sandeed ist jetzt Projektleiter einer Partner organisation von Care in Jordanien.

Sie kennen die Statistiken und wissen um die Gefahr - ein palästinensischer Syrer erklärt, warum viele Flüchtlinge trotzdem die Überfahrt wagen.


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Etwa vor einem Jahr wollte ich einen Schleuser bezahlen, um mit einem Boot nach Europa zu gelangen. Viele Europäer denken, wir wüssten nicht, dass die Überfahrt tödlich sein kann, wir sähen die entsetzlichen Bilder der Leichen nicht. Aber ich hatte die Nachrichten verfolgt und gesehen, dass mehr als 500 Menschen im Oktober 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa gestorben waren.

Ich hatte sogar Freunde verloren. Aber wie viele syrische Flüchtlinge, die - zusammen mit Eritreern - mehr als die Hälfte der Bootsflüchtlinge ausmachen, dachte ich, dies sei meine einzige Chance.

Ich wurde als palästinensischer Flüchtling geboren. Vor etwa drei Jahren wurde ich zum zweiten Mal Flüchtling. Meine Familie und ich mussten vor dem Krieg in Syrien in den Libanon fliehen. Unser Zuhause war zur Kampfzone geworden.

Meine Freunde und Familie kennen mich als unverbesserlichen Optimisten. Ich liebe das Leben, ich liebe die Menschen. Im Libanon begann ich, als Freiwilliger anderen Flüchtlingen zu helfen. Dann hielt ich all das Leid nicht mehr aus. Ich hatte die Hoffnung verloren. Vor dem Krieg war mein ganzes Leben vor mir gelegen, eine vielversprechende Zukunft. Ich hatte studiert, Geld, einen guten Job als Ingenieur.

Ich bin dann doch nicht an Bord des Schlepperbootes gegangen. Nach langen Diskussionen mit Familie und Freunden bin ich immer noch im Libanon und unterstütze Menschen, die wie ich fliehen mussten. Ich bilde andere Freiwillige aus. Flüchtlinge brauchen dringend humanitäre Unterstützung. Täglich treffe ich frühere Ingenieure, Ärzte, Lehrer, Bauern, Angestellte. Wir führten ein ganz normales Leben. Obwohl wir Europa sehr schätzen, sehen wir es nicht als "Himmel auf Erden". Die meisten Flüchtlinge träumen von der Rückkehr in ihre Heimat. Aber ohne Frieden sehen manche Europa als letzte Chance. Wir Menschen sind doch alle sehr ähnlich: Wir lieben unsere Freunde, unsere Familien, unser Zuhause. All dies gibt man nicht so einfach auf.

Ich schaue Nachrichten, verfolge die Diskussionen nach den jüngsten Tragödien. Politiker sprechen über die Notwendigkeit, die EU-Rettungsmissionen wieder aufzunehmen; dass Flüchtlinge bereits vor einer möglicherweise tödlichen Überfahrt Asyl beantragen können. Es berührt mich, dass so viele Menschen weltweit ihre Solidarität, ihr Mitgefühl bekunden. Dass ihnen nicht egal ist, was mit uns passiert. Sie verstehen, dass ich mir nicht ausgesucht habe, als palästinensischer Syrer geboren zu werden. Genauso wie sie sich nicht ausgesucht haben, als Europäer zur Welt zu kommen. Ich wünsche meine Lage niemandem. Aber ich hoffe, dass wir diese Tragödien zum Anlass für Veränderung nehmen können.

Es ist nur ein paar Generationen her, dass Europäer ähnliches Leid erfahren haben. Viele waren selbst Flüchtlinge, als sie jung waren. Sie waren der Anlass für völkerrechtliche Projekte wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention.

Humanitäre Hilfe und eine andere Flüchtlingspolitik sind wichtig. Aber letztendlich liegt die große Hoffnung aller Flüchtlinge darin, nicht mehr Flüchtling genannt werden zu müssen und an den Ort zurückkehren zu können, den sie am meisten lieben: ihre Heimat. Frieden ist und bleibt die einzige Lösung.