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Die bösen Agenten

Von WZ-Korrespondent Andreas Schneitter

Politik
Kritik an der Besatzung unerwünscht: Auf die Ausstellung der Menschenrechts-NGO "Breaking The Silence" in Zürich reagierte Israels Rechte mit Einschüchterungen und Diffamierungen.
© reu/Wiegmann

Israel plant ein Gesetz, das Aktivitäten von NGOs, die vom | Ausland unterstützt werden, einschränkt.


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Tel Aviv. Fünfte Kolonne, ausländische Agenten, Verräter: Immer härter wurden die Vorwürfe, mit denen israelische Menschenrechts-NGOs aus dem linken Spektrum seit Monaten konfrontiert werden. Zu Wochenbeginn reichte ein Abgeordneter der regierenden Likud-Parteieinen Gesetzesvorstoß ein, wonach der Staat Israel mit einheimischen NGOs, die finanziell von anderen Staaten unterstützt werden, jede Form von Zusammenarbeit beenden soll. Bemühen sich die NGOs weiterhin um staatliche Kontakte, drohen Strafen bis zu 25.000 Euro oder die erzwungene Auflösung der Organisation. Der Entwurf bezeichnet solche NGOs als "Maulwürfe", deren Aktivitäten Israels Demokratie von innen aushöhlen würden. Menschenrechtsorganisationen, die eine Demokratie gefährden - der Vorwurf erscheint geradezu absurd.

Die Maulwurf-Vorlage ist ein Extrem-, aber kein Einzelfall. Im Parlament diskutiert wird derzeit auch das sogenannte "Transparenzgesetz". Mitarbeiter von NGOs müssen, heißt es darin, in Gesprächen mit Parlamentariern oder staatlichen Stellen künftig ein kennzeichnendes Etikett tragen. Außerdem sollen die Finanzzuschüsse, die solche NGOs von ausländischen "politischen Entitäten" erhalten, in ihren Publikationen aufgeführt sein, vom Finanzbericht bis zur Werbebroschüre.

Hasskampagnen

Als "ausländische Entitäten" gelten nicht nur Staaten und staatlich unterstützte Organisationen, sondern auch zwischenstaatliche Gebilde wie die EU oder die UNO. Besonders unter Beschuss geraten ist die NGO "Breaking The Silence", die Berichte von israelischen Soldaten in den besetzten Palästinensergebieten sammelt und veröffentlicht. Zu ihren wichtigsten Förderern gehören europäische Staaten: Ohne die teils jahrelange Unterstützung der EU sowie der Regierungen der Schweiz und Norwegen müsste "Breaking The Silence" ihre Tätigkeiten deutlich herunterfahren. Mit Kritik aus dem rechten Spektrum lebt die von ehemaligen israelischen Soldaten 2004 gegründeten NGO seit Jahren. In den vergangenen Monaten schlug diese allerdings in Diffamierung um. Grund sind die Aktivitäten im Ausland: Eine Ausstellung von "Breaking The Silence" in Zürich im Sommer, mitfinanziert vom Schweizer Außenministerium, sorgte für Demonstrationen vor der Schweizer Botschaft in Tel Aviv und hasserfüllte Kampagnen in den sozialen Netzwerken.

Ebenfalls vorgeworfen wird israelischen Menschenrechts-NGOs ihre Rolle im UN-Bericht zum Gazakrieg 2014, der vor einem halben Jahr publiziert und in dem konstatiert wurde, dass neben bewaffneten Palästinensergruppen auch die israelische Armee "ernste Verletzungen des internationalen humanitären Rechts" begangen habe. Als Quelle dienten unter anderem Aussagen israelischer Soldaten, die "Breaking The Silence" gesammelt hatte.

Aus der Sicht der israelischen Justizministerin Ajelet Shaked von der rechtsgerichteten Siedlerpartei Habait Hayehudi, die das "Transparenzgesetz" unterstützt, müssen diese NGOs deshalb stärker durchleuchtet werden. "Dem Gesetzesvorschlag zugrunde liegt die Annahme, dass diese Organisationen nach ihren Vorstellungen die israelische Zivilgesellschaft verändern und nationales wie internationales Recht zuungunsten Israels beeinflussen wollen", erläutert eine Sprecherin Shakeds der "Wiener Zeitung".

"Russische Zustände"

Der Vorstoß sorgt selbst unter Israel-Freunden im Ausland für Kopfschütteln. Während Shakeds Amtsbesuch in Deutschland Anfang Dezember wurde sie von Mitgliedern der Deutsch-Israelischen Freundschaftsgruppe im Bundestag mit kritischen Fragen eingedeckt: Die Kampagne gegen NGOs erinnere an "das Vorgehen der russischen Regierung gegen kritische Menschenrechtsorganisationen", sagte Volker Beck, Vorsitzender Freundschaftsgruppe.

Die von NGOs geforderte Transparenz ist in Israel bereits jetzt hoch: Jede ausländische Spende, die 20.000 Schekel (5000 Euro) übersteigt, muss im Finanzbericht aufgelistet werden. Schärfere Vorlagen wie etwa eine rigorose Besteuerung von Organisationen mit ausländischer Unterstützung sind bisher gescheitert.

Mitarbeiter der attackierten NGOs sorgen sich denn auch weniger um mögliche Gesetzesänderungen als um das gesellschaftliche Klima, das die wiederholten Kampagnen schaffen. Die Vorlagen dienten dem Zweck, "regierungskritische Organisationen, deren Arbeit die Auswirkungen der anhaltenden Besatzung der palästinensischen Gebiete dokumentiert, als Verräter zu brandmarken", sagt Yehuda Shaul, Gründungsmitglied von "Breaking The Silence". Der Verdacht ist nicht unberechtigt: Auch ohne explizite Nennung betreffen die geplanten Gesetze vor allem Organisationen, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen.

Anders als die rechtsgerichteten Pro-Siedler-NGOs, deren Millionen-Spenden aus privaten Quellen stammen, werden die Menschenrechts-Organisationen vor allem von Regierungen mitfinanziert. Ein bedeutender Unterschied, sagt die Sprecherin von Justizministerin Shaked: "Ausländische Regierungen sollten mit den etablierten Mitteln der Diplomatie ihre Positionen geltend machen, nicht jedoch mit finanzieller Förderung." Das sehen die Spender differenzierter. "Die EU und ihre Außenpolitik gründen auf dem Engagement für den Schutz universell gültiger Menschenrechte", sagt David Kriss von der EU-Botschaft in Tel Aviv. Das gelte auch für Israel: In einem 2005 geschlossenen Rahmenabkommen, das die Beziehungen zwischen Israel und der EU regelt, halten die beiden Vertragspartner fest, "zusammen für die gemeinsamen Werte der Demokratie, des Rechtsstaates, des Menschenrechts und des internationalen Völkerrechts einzustehen." Dazu gehört nicht zuletzt die Unterstützung von NGOs - wie regierungskritisch sie auch sein mögen.