![Eine Illustration eines Sanitäters in einer Kriegslandschaft.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/b4d03a9c3c/wz_podcast_arzt_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
In Wien scheinen die Kontakte von bosnischen, tschetschenischen und nordafrikanischen Islamisten zusammenzulaufen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Er wäre "auf Urlaub in Österreich" gewesen, behauptete Salah Abdeslam am 9. September, als sein Auto bei einer Verkehrskontrolle in Oberösterreich aufgehalten wurde. Er und zwei Begleiter wurden überprüft, das Auto durchsucht, es erging eine Meldung an die belgischen Behörden. Das bestätigte am Dienstag der Direktor für Spezialeinheiten, Bernhard Treibenreif, in der ORF-Sendung "ZiB2".
Hinweisen von ausländischen Geheimdiensten zufolge könnte Abdeslam sogar mehrmals in Österreich gewesen sein. Rund zwei Monate nach der besagten Verkehrskontrolle ist der 26-jährige gebürtige Belgier mutmaßlich an der Durchführung der Pariser Terroranschläge beteiligt. Er befindet sich nach wie vor auf der Flucht, es wird international nach ihm gefahndet. Sein Bruder Brahim hat sich am 13. November vor einem Pariser Café in die Luft gesprengt.
Seit Abdeslams Aufenthalt in Österreich bekannt wurde, reißen die Spekulationen nicht ab. Sind noch weitere Terroristen durch Österreich gereist? Wie groß ist die islamistische Szene hierzulande? Ist Österreich gar ein Rückzugsgebiet für IS-Terroristen, das genutzt wird, um Informationen auszutauschen, logistische Planung durchzuführen und neue Kämpfer anzuwerben?
Drehscheibe Wien
Zeitungsberichte, wonach noch ein weiterer Attentäter der Pariser Anschläge, Ahmad al Mohammad, über die Flüchtlingsroute von Syrien über Österreich nach Belgien und nach Frankreich gelangt sein könnte, dementierte das Innenministerium am Donnerstag. Dabei handle es sich um "Spekulationen", so der BMI-Sprecher, Karl-Heinz Grundböck, zur "Wiener Zeitung". Auch dass nach den Anschlägen über 100 IS-Sympathisanten und Syrien-Rückkehrer von der Polizei vernommen worden wären, wie die "ZiB2" berichtete, stellte Grundböck in Abrede. Man habe zwischen 60 und 70 Personen in allen Bundesländern für sogenannte Gefährder-Ansprachen aufgesucht. Den Betroffenen sei "die österreichische Rechtsordnung klargemacht" worden. Das Signal: Wir haben euch genau unter Beobachtung. 250 Personen aus Österreich haben sich bisher auf den Weg nach Syrien gemacht, rund 40 sind dort ums Leben gekommen, an die 70 Islamisten sollen inzwischen wieder in Österreich sein.
Speziell für aus Bosnien und Tschetschenien stammende Islamisten ist Wien und damit Österreich eine Drehscheibe, ist die Dschihadismus-Expertin Petra Ramsauer überzeugt. Im Bosnien-Krieg 1992 sei das Land ein Hort freiwilliger Kämpfer gewesen, Kontingente von Islamisten ("Mudschahedin") beteiligten sich auf Seite der bosnischen Armee am Krieg. "Die Gelder, mit denen diese Kämpfer finanziert wurden, flossen damals über Österreich. Nach dem Krieg blieben diese Strukturen bestehen", so Ramsauer. Nach Ende des Krieges sei der Wiederaufbau mit Geldern aus den Golfstaaten finanziert worden. So habe sich in Bosnien ein ultra-orthodoxer Islam wahabitischer Prägung, wie er auch in den Golfstaaten vorherrschend ist, etabliert: "Auch beim Wiederaufbau blieb Österreich ein Logistikzentrum."
Anklage gegen Hassprediger
"Zudem sind in österreichischen Moscheen, zum Beispiel in der Lindengasse, auch wahabitische Hassprediger in Erscheinung getreten." In besagter Moschee war der Vater des österreichischen IS-Kämpfers Mohamed Mahmoud, Sami Mahmoud, Imam gewesen. Sukzessive habe sich die bosnisch-wahabitische Diaspora mit den Kreisen der tschetschenischen, aber auch nordafrikanischen und ägyptischen Islamistenzene verbunden, weiß die Expertin. In Wien scheinen die Kontakte zwischen diesen Gruppierungen zusammenzulaufen. Und: In Österreich wird rekrutiert. Vor einem Jahr wurde im Rahmen der großangelegten "Operation Palmyra" schließlich der bosnische Hassprediger Mirsad O. alias "Ebu Tejma" verhaftet. Auch er predigte unter anderem in der Moschee in der Lindengasse, organisierte paramilitärische Trainigs zusammen mit tschetschenischen Islamisten.
Mirsad O. sitzt zurzeit am Landesgericht Graz in Haft. Gegen ihn und einen russischen Islamisten wird nun Anklage erhoben - wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, genauer gesagt dem IS und dessen Vorgängerorganisationen. Dem Russen werden zudem mehrere Morde in Syrien zur Last gelegt, Mirsad O. zusätzlich Anstiftung zum Mord und Rekrutierung für die Terrormiliz. Von der Verhandlung gegen den Bosnier erwartet sich auch Dschihadismus-Expertin Ramsauer einiges: "Dieser Prozess wird wohl sehr viel ans Tageslicht bringen."
Rund 250 Personen sind von Österreich aus in den Dschihad nach Syrien gereist. 40 davon wurden getötet, rund 70 sind nach Österreich zurückgekehrt. Im November 2014 gab es im Rahmen der "Operation Palmyra" Razzien gegen 42 Beschuldigte, 14 wurden festgenommen, fünf befinden sich weiterhin in Untersuchungshaft.
Wissen