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Dänische Maler des 19. Jahrhunderts fixierten die Farben auf ihren Gemälden mit Bier.
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In der Kunst gilt die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts als goldenes Zeitalter Dänemarks. Die Meister malten ihre großen Werke auf Leinwänden, auf denen Bier die Farben besonders gut festhielt. Zwar gaben Aufzeichnungen aus dieser Zeit bereits Hinweise auf eine wichtige Rolle dieses damals wie heute in weiten Kreisen beliebten Getränks in der Malerei. Doch den naturwissenschaftlichen Nachweis liefert jetzt die Universität Kopenhagen in der Zeitschrift "Science Advances".
"Kennt man ihre Zusammensetzung, können solche Werke besser in die entsprechende Epoche eingeordnet und für spätere Generationen erhalten werden", nennt Henning Urlaub Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen eine Bedeutung dieser Analyse. Der Wissenschafter, der an der Studie nicht beteiligt war, ist Experte für Bioanalytische Massenspektrometrie, die die Massen von Molekülen bestimmen und Proteine sehr zuverlässig identifizieren kann. "Da Proteine die meisten Vorgänge in lebenden Zellen stemmen, lassen sich damit Lebensvorgänge sehr gut beobachten", erklärt Urlaub.
Weil die Massenspektrometrie in den letzten Jahren immer empfindlicher geworden ist und auch in komplexen Gemischen Proteine zuverlässig erkennt, analysiert seine Gruppe damit etwa das Geschehen in gesunden und entarteten Zellen für Grundlagen- und klinische Forschung. "In dieser Erfassung aller Proteine von Zellen, genannt Proteomik, sind dänische Arbeitsgruppen sehr gut", sagt er.
In Kopenhagen hat das Team um Enrico Cappellini zehn Leinwände unter die Lupe genommen, auf die die dänischen Maler Christoffer Eckersberg und Christen Købke in den 1820er und 1830er Jahren Meisterwerke malten. Als die Rückseiten der Gemälde in den 1960er Jahren mit einer zusätzlichen Leinwand verstärkt wurden, waren an den Ecken jeweils kleine Stücke gekappt worden. In diesen Überresten suchte das Team jetzt mit Massenspektrometrie die Protein-Mischungen einiger Organismen. Wie sich zeigte, stecken in sieben der untersuchten Leinwände nicht nur relativ große Mengen unterschiedlicher beim Bierbrauen eingesetzter Hefen, sondern auch Getreidekörner von Braugerste, Buchweizen, Weizen und Roggen. Genau diese Zutaten spielen beim Bierbrauen heute noch entscheidende Rollen.
Die sieben "bierigen" Meisterwerke hatten die beiden Maler allesamt an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen gestaltet oder zumindest angefangen. In den drei Leinwänden von Christen Købke nach seiner Zeit an der Kunsthochschule fanden sie dagegen keine Proteine aus der Bierbrauerei.
Offensichtlich hatten also Gehilfen, die an der Akademie für die Herstellung der Leinwände zuständig waren, ein Faible für Bierzutaten, die anderweitig wohl weniger eingesetzt wurden. Wahrscheinlich setzten sie das beliebte Getränk nicht direkt ein, sondern verwendeten Feststoffe, die aus Bier abgefiltert werden. Diese enthalten sehr viele Hefen und Reste von Getreidekörnern, aus denen das Bier vorher gebraut worden war. Heute landen diese leicht klebrigen Substanzen etwa in den Futtertrögen von Nutztieren - oder immer noch in Leinwänden, wo sie die Farben besser als auf einem nicht behandelten Gewebe festhalten. "Das ist eine faszinierende Studie", sagt Urlaub. "Mit der Massenspektrometrie lassen sich in Zukunft wohl auch noch andere Kunstwerke auf Inhaltsstoffe untersuchen, die verwendet wurden."