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Die Bremskraft der deutschen Bundesländer

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare

Der Einfluss der Wahlergebnisse in Saarland, Sachsen und Thüringen auf die Bundestagswahl am 27. September ist offen. Erhebliche Folgen dürften sie für die Zusammensetzung des deutschen Bundesrats (Ländervertretung) haben. Abgestimmt wird dort länderweise (nach Vorgaben durch die Landesregierungen!) und nicht individuell von den Mandataren.


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Der Bundesrat hat unter anderem das Einspruchsrecht gegen Gesetze des Bundestags. In diesem komplizierten Verfahren von Einspruch und Beharrungsbeschluss fällt die endgültige Entscheidung über ein Gesetz, wenn der Bundestag den letzten Einspruch des Bundesrats mit Zweidrittelmehrheit abschmettert. Fehlt diese Mehrheit, ist ein Gesetz gekippt.

Die große Koalition hat im Bundestag derzeit um 38 Mandate mehr als die Zweidrittelmehrheit von 410. Für die Bundestagswahl sagen Umfragen einer Union/SPD-Koalition um die 370 Mandate und einem Union/FDP-Gespann 310 Abgeordnete voraus (jeweils plus/minus 3 Prozent). Der Bundesrat könnte also Gesetze leichter zu Fall bringen, zumal die Bildung der Landesregierungen im Saarland und in Thüringen sowie die Bundestagswahl seine "Blockade"-

Chancen verbessern kann.

Im Saarland und in Thüringen verlor die CDU die absolute Mehrheit und damit je ihre "Alleinvertretung" im Bundesrat. Das wäre nicht tragisch, säße sie in beiden Ländern in der nächsten Regierung. Sollten aber jeweils rot-rot-grüne Koalitionen folgen, bekäme eine Union/FDP-Bundesregierung Probleme.

Bisher war zumindest ein Partner der großen Koalition - CDU/CSU und SPD - jeweils als "Chef" in jeder der 16 Landesregierungen vertreten. Verlöre die CDU zwei Bundesländer an Links-Koalitionen, dann wäre die SPD "Chef" in sieben Bundesländern und durchaus nicht nur gefügiger Juniorpartner der CDU in zwei weiteren.

Welches Störpotenzial da lauert, belegt das zähe Bemühen von Bundestag und Bundesrat seit 2003, die Kompetenzen von Bund und Ländern neu zu ordnen und "Gesetzesblockaden" durch die Ländervertretung zu bremsen. Um die besonders heiklen Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern in den Griff zu bekommen, gibt es seit 2007 eine eigene Kommission. Sie berät immer noch - ohne Ergebnis.

Nach den Bundeswahlen sind Wahlversprechen einzulösen. CDU und FDP wollen mit den Steuern herunter - trotz 1600 Milliarden Euro Staatsverschuldung und einer Zinsenlast von heuer 70 Milliarden. SPD, Linke und Grüne wollen mit den Steuern hinauf - wegen der horrenden Schulden und Zinsen. Zu diesen "Finanzbeziehungen" zählen zumal die wachsenden Kosten für Bildung, Gesundheit oder Soziales - also Steuerpolitik und das Feilschen um die Verteilung der Finanzen.

Da leuchten hartnäckige Gerüchte ein, dass die CDU sich die Wahl zwischen FDP und SPD als Koalitionspartner offen hält.

Clemens M. Hutter war bis 1995 Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".