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Auf Platz eins der Dinge, auf die man sich verlassen kann, stehen die Bananen. Wenn die Bananen einmal nicht mehr Nummer eins bei der Supermarktwaage sind, ja dann gnade uns Gott. Platz zwei der Dinge, auf die man sich verlassen kann, ist seit heuer obsolet: dass die Buhlschaft im "Jedermann" ein leidenschaftlich-rotes Kleid trägt. In der neuen Inszenierung von Michael Sturminger ist das Kleid rosa. Nun kann das natürlich keineswegs nichts bedeuten. Aber was will der Regisseur mit der Neugewandung dieser so kleinen wie vielbeachteten Rolle sagen? Dass wir uns in einer post-erotischen "Frozen"-Disney-Prinzessinnen-Ära befinden? Oder handelt es sich um eine Übersetzung der Buhlschaftsexualität in einen (Trans-)Gender-Diskurs? Oder sind den Festspielen einfach die Cochenilleschildläuse für die rote Farbe ausgegangen?
Kann man kaum seriös beantworten, solange die Premiere nicht über die Bühne gegangen ist. So überspitzt diese Überlegungen klingen - kaum eine Theaterrolle unterliegt genaueren Interpretationsschüben wie die Buhlschaft des "Jedermann". Und so hat die Wahl von Stefanie Reinsperger für diesen Part doch für (positive) Furore gesorgt - weil sie nicht dieselbe hagere Statur hat wie üblicherweise als Verführerinnen engagierte Damen. Natürlich ist das im Sinne einer Normalisierung der Schönheitsideale von Frauen erfreulich. Die ständige Betonung ist aber auch eines: unhöflich einer hochtalentierten Schauspielerin gegenüber. Bei allem Verständnis für den feministischen Kampf sollte man nicht vergessen, dass Schauspieler nicht nur Projektionsflächen, sondern auch Menschen sind.