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"Die Bürger sind nicht Kunden, sondern Eigentümer der Stadt"

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Magnus Staehler (l.) mit ICG Infora-Geschäftsführer Franz Schwarenthorer. Foto: ICG Infora

Mutiger Reformer gibt Tipps zum Schuldenabbau. | Keine Angst vor unpopulären Entscheidungen. | Von 21 Millionen Euro Schulden in zehn Jahren auf null. | Wien. Die "Bild"-Zeitung bezeichnete Magnus Staehler einst als "Schulden-Terminator". Wie kam er zu diesem Titel? Dem heute 52-jährigen ehemaligen Bürgermeister der deutschen Stadt Langenfeld ist das Kunststück gelungen, seine Stadt mit einem langfristigen Masterplan nachhaltig schuldenfrei zu machen - und trotz zahlreicher unpopulärer Maßnahmen wiedergewählt zu werden. Staehler erhöhte die Steuern, kürzte Zuschüsse, sparte bei kommunalen Dienstleistungen. So mussten die Bürger etwa selbst zum Besen greifen und ihre Straßen sauber halten.


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"Bei jeder Maßnahme gab es massive Proteste. Aber das ist ja das Normalste auf der Welt", sagte Staehler am Rande der diesjährigen Sommergespräche der Infora Consulting Group (ICG) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der umtriebige Bürgermeister schaffte es, die Bevölkerung der 60.000-Einwohner-Stadt auf seine Seite zu bringen und Verständnis für die Sparmaßnahmen zu schaffen. Sein Grundsatz: "Die Stadt geht alle etwas an. Die Bürger sind nicht Kunden oder gar Bittsteller, sondern die Eigentümer der Stadt." Und sie hätten deshalb auch ein Recht darauf, über die Finanzsituation informiert zu werden.

Schuldenuhr läuft mit

Staehler ließ eine Schuldenuhr am Rathaus aufstellen. So konnten die Bewohner der Stadt Tag für Tag mitverfolgen, wie der Schuldenberg - 1999 waren es noch 20,8 Millionen Euro - zu schrumpfen begann. Staehler: "Die haben sich dann gedacht, das scheint ja doch etwas zu werden."

Am 3. Oktober 2008 war es dann soweit: Die Stadt war endgültig schuldenfrei. Für Staehler ein Grund, nach 15-jähriger Amtszeit das Zepter weiterzugeben und nicht mehr zu kandidieren: "Wenns am schönsten ist, soll man aufhören."

In der rheinländischen Stadt Langenfeld kehrt nun jeder vor seiner eigenen Tür - nicht nur sprichwörtlich. Das hilft der Stadtverwaltung, Kosten zu sparen. Foto: bbox

Womit der freiwillige Politpensionär allerdings nicht aufhört, ist, seine Erfahrungen an andere Entscheidungsträger des öffentlichen Sektors als Berater weiterzugeben.

Wie die Stadt Langenfeld aus Amtsschimmeln Rennpferde machte, beschreibt Staehler auch in seinem Buch "1-2-3 schuldenfrei". Er sieht es nicht als Lehr-, sondern als Handbuch, das Auswege aus dem Schuldendilemma aufzeigen soll.

"Konsequenz und Mut"

Staehlers Botschaften fallen auch in Österreich auf fruchtbaren Boden, denn "der Leidensdruck ist so hoch wie nie", sagt ICG Infora-Geschäftsführer Andreas Pölzl bei den Sommergesprächen, die heuer unter dem Motto "Geht nicht, gibts nicht" standen. Dass es um die Finanzen der öffentlichen Hand nicht zum Besten stehe, sei allgemein bekannt, und auch die großen Themen - Gesundheit, Pensionen, Verwaltungsreform - liegen auf dem Tisch. Jetzt gehe es darum, die Reformen anzugehen.

Die Experten von ICG Infora raten reformwilligen Gemeinden zu einem sechsstufigen Fahrplan, an dessen Beginn die Bestimmung des beeinflussbaren Budgets steht. Herrsche Klarheit über die finanzielle Zukunft und die Ziele, beginne die "Knochenarbeit": Einsparpotenziale werden erhoben, Maßnahmen (meist wenig populäre) werden umgesetzt. Dieser letzte Schritt sollte durch ein laufendes Monitoring und Controlling begleitet werden.

Zur nachhaltigen Konsolidierung braucht es seitens der Entscheidungsträger "Konsequenz und Mut", sagt Staehler. Viele fürchten, politisch abgestraft zu werden - er sei ein lebendes Beispiel dafür, dass das nicht so sein muss.