Dass die nationale Ebene mit dem Thema Migration überfordert ist, ist den Menschen bewusst.
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Dass die Freiheiten eines Binnenmarkts nicht zu einer national geregelten Zuwanderungs- und Asylpolitik passen, ist für alle, die es wissen wollen, kein großes Geheimnis. Seit der Flüchtlingskrise 2015/16 ist das auch offenkundig, und auch die ebenso emotionale Debatte um die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge wird nicht ändern, dass das Thema Migration weiter allein in nationaler Zuständigkeit verbleibt. Dabei ist offensichtlich, dass die Mitgliedstaaten angesichts globaler Migration, offener Binnengrenzen und höchstens rudimentär überwachter Außengrenzen in der Sache hoffnungslos überfordert sind. Das Thema taugt allenfalls noch für die Inszenierung nationaler Handlungsstärke, die höchstens den Qualitätsanforderungen Potemkin’scher Dorfarchitektur genügen muss. Aber das reicht öfter, als man zu glauben gewillt ist.
Dabei liefert eine groß angelegte Umfrage in sechs EU-Staaten des Meinungsforschungsverbunds Euroskopia belastbare Hinweise, dass die Bürger sehr wohl wissen, dass die Herausforderungen ihren durchaus geliebten und geschätzten Nationalstaaten längst über den Kopf gewachsen sind und dass es neuer Lösungen bedarf. Die kann, weil es sich eben längst um eine globale Frage handelt , nicht ohne die EU-Ebene beantwortet werden; gleichzeitig dürfen aber auch, eben weil es hierbei um einen tief in den Lebensalltag der allermeisten Menschen hineinreichenden Bereich wie Zuwanderung und Asyl geht, die Nationalstaaten von jeder Mitsprache ausgeschlossen werden. Brüssel ist noch weit entfernt von dem nach wie vor bestehenden Vertrauensvorsprung, den die Mitgliedstaaten bei ihren Bürgern genießen.
Dementsprechend fällt auch der Urteilsspruch der Bürger aus: Nur jeweils eine klare Minderheit will die Migrationsfragen allein den Staaten oder der Union zur Regelung überantworten, aber jeder Zweite spricht sich für eine gemeinsame Zuständigkeit aus.
Wenn es darum geht, welche politische Ebene für welche Themen nicht nur zuständig, sondern auch verantwortlich sein soll, sind die Bürgerinnen und Bürger die Letzten, die gefragt werden. Meist deshalb, weil man ihnen kein Urteil darüber zutraut, welche Fragen von welcher politischer Ebene sachgerecht entschieden werden sollen. Das mag mitunter stimmen, bei Migration verdichten sich allerdings die Anzeichen, dass die Menschen in Europa schon weiter sind als ihre politischen Vertreter, die noch immer nicht die Kraft und den Willen aufbringen, einen längst als dysfunktional enttarntes Bereich an die Erfordernisse der Wirklichkeit anzupassen.