50 Prozent Wahlbeteiligung - nach Auszählung der Wahlkarten vielleicht ein bisschen darüber -, was bedeutet diese niederschmetternd niedrige Beteiligung für das höchste Amt im Staat? | Vor allem die banale Erkenntnis, dass man einen Ersatz-Kaiser - und nichts anders ist der Bundespräsident in den Augen der meisten Österreicher - allenfalls von Gott geschenkt bekommt. Seine Bestätigung für eine zweite Amtsperiode ist dagegen für mündige Wähler von allenfalls durchschnittlicher Attraktivität. Immerhin zeigt das Ergebnis aber auch, dass eine Stimme gegen den gewählten Monarchen auch unter aufrechten Demokraten noch immer als Sakrileg betrachtet wird. Für eine Abberufung sind demnach ausschließlich höhere Mächte zuständig, die Bürger jedenfalls denken nicht daran, sich dieses quasi göttliche Recht zu anzueignen.
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Das Amt geht dennoch arg zersaust aus diesem Wahlkampf hervor. Es besteht die realistische Gefahr, dass die Hofburg zu einer zweiten Länderkammer verkommt, deren Sinnhaftigkeit ebenfalls in regelmäßigen Abständen in Frage gestellt wird. Präsidenten-Entsorgen könnte zu einem beliebten Zeitvertreib für Politiker werden, die unter akutem Beschäftigungsmangel leiden.
Dem Bundesrat konnte diese Geringschätzung mangels realer Aufgaben und nicht vorhandener öffentlicher Präsenz bisher nichts anhaben. Für das Amt des Bundespräsidenten wäre eine solche, de facto ohnehin bereits gegebene Entwicklung jedoch fatal. Kein Amt dieser Republik würde mehr unter medial zur Schau gestellter Geringschätzung und öffentlicher Verspottung leiden. Thomas Klestil hatte das schmerzhaft zu spüren bekommen, am Ende seiner Amtszeit hatte sein Wort maximal nur noch für die Hälfte der Republik moralisches Gewicht.
In politisch normalen Zeiten, was nichts anderes heißt, als dass die Organe der Republik verfassungskonform miteinander zusammenarbeiten, mag sich der Schaden darob in engen Grenzen halten. Doch in Krisenzeiten - und für ausschließlich solche Phasen hat die Bundesverfassung das Amt des Bundespräsidenten mit seinen umfassenden Kompetenzen ausgestattet - kann sich ein solcher Mangel an moralischer und politischer Akzeptanz fatal für den Staat und die Demokratie auswirken.
Dieser Wahlkampf hat der Reputation des Amtes keinen guten Dienst geleistet. Das sollten sich sämtliche Parteien zu Herzen nehmen. Wenn die Volkswahl auch bei einer Wiederkandidatur des amtierenden Bundespräsidenten beibehalten werden soll - und darin liegt die Legitimation der beträchtlichen Vollmachten -, dann muss ein entsprechendes Wahlangebot sichergestellt sein. Als reines Wahlbestätigungskomitee sind sich die Bürger, das hat diese Wahl gezeigt, zu schade. Zu Recht.
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