Künstlerische Forschung als Teil der Wissenschaften. | Zugängliche Beiträge, keine Prüfungssituation. | Wien. Leonardo da Vinci war beides, Arnold Schönberg ebenso: Künstler und Forscher in Personalunion. Dass Ästhetik und Analytik keine unversöhnlichen Gegensätze sind, gerät in dem von naturwissenschaftlich geprägter Methodik bestimmten Wissenschaftsbetrieb aber gerne in Vergessenheit.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das Wiener Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) widmet seine neunte Sommerakademie dem brisanten Thema der künstlerischen Forschung: "Artistic Research? Die Zirkulation von Erfahrung, Wissen und Erkenntnis in der Kultur".
Von 21.bis 27. August werden in Maria Taferl fünf Kunst- und Wissenschaftsforscher mit 20 Nachwuchswissenschaftern und kulturwissenschaftlich versierten Künstlern die Demarkationslinie zwischen Kunst und Wissenschaft verhandeln. "Es geht darum, die kognitive Leistungsfähigkeit der Künste als ebenbürtig anzuerkennen", erläutert IFK-Direktor Helmut Lethen einen Kernbereich des Generalthemas der künstlerischen Forschung.
Die Debatte um die Wertigkeit des künstlerischen Forschens ist mehr als ein reines Nachziehen der Künste auf das Wertschätzungsniveau der etablierten Wissenschaft. In Frage gestellt wird der Hegemonieanspruch der Forscher - bilden doch kreative Elemente, wie Aufmerksamkeit für Anomalien oder das Gesetz des Zufalls, eine Säule ihrer Forschungsleistung.
Doch das neue Forschungsfeld bietet auch Stoff für Status-Kontroversen. Scheinbar banale Praktiken des Wissenschaftsbetriebs werden hinterfragt: "Können auf Kunstakademien Dissertationen geschrieben werden?", so Lehten. Antragsformulare für EU-Projekte seien für natur-, sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung konzipiert: "Man müsste neue Formate erfinden, in denen die Forschungsleistung der Künste präsentiert werden kann - eine wissenschaftliche Arbeit könnte ja auch darin bestehen, ein Musikstück anzuhören."
30.000 Euro Budget
Finanziert werden die 30.000 Euro Budget der IFK-Sommerakademie aus dem Sonderprogramm "Exzellenzinitiative Kulturwissenschaften" des Wissenschaftsministeriums. Nachwuchs-Teilnehmer erhalten Stipendien. Lehten rechnet mit bis zu 150 Bewerbungen. Er will die IFK-Sommerakademie außerhalb des etablierten Konferenz- und Wissenschaftsbetriebs positioniert wissen: "Es geht nicht um Karriereplanung oder das Präsentieren auf einem Marktplatz." Zudem müssten die vorgestellten Beiträge zugänglich sein: "Die Hermetik wissenschaftlicher Kunstsprachen wird nicht akzeptiert."
Dementsprechend sei die Publikation eines dort präsentierten Projekts ein Glücksfall. "Jedes Element einer Prüfungssituation ist ausgeschaltet." So ganz aber doch nicht: Schließlich ist die Akademie für den IFK-Chef auch "eine Art Casting-Show" - etliche Teilnehmer vergangener Jahre wurden vom IFK als Junior Fellows rekrutiert.