Zum Hauptinhalt springen

Die Chancen, dass Jugendliche Eigenverantwortung trainieren

Von Erich Brunmayr

Politik

Was gegen die | Kinderaufbewahrung in Schulen spricht: | Den meisten | fehlen die Freizeiteinrichtungen. | Gmunden. Wir wissen, dass in der familiären Erziehungskultur wesentliche Persönlichkeitsmerkmale festgelegt werden: das Grundvertrauen in die Welt und in die Menschen, die Beziehungsfähigkeit, die Leistungsmotivation aber auch das Einfühlungsvermögen und wesentliche Dimensionen der persönlichen Talenteentwicklung. Wir wissen aber auch, dass zur weiteren Entwicklung eines Kindes auch außerfamiliäre Einrichtungen sehr Wesentliches beitragen:


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Kindergärten sind in den österreichischen Bundesländern sehr unterschiedlich organisiert. Die höchste Versorgungsdichte hat Niederösterreich, das sein Kindergartenangebot am Vormittag zum Nulltarif anbietet. Die wesentliche pädagogische Zielsetzung der Kindergärten ist es, die Begabungspotentiale der Kinder zu entdecken und diese möglichst frühzeitig zu fördern. Daneben lernen Kinder, sich in ein Gemeinschaftsleben einzufügen und im Team tätig zu werden. - Eine Fähigkeit, die in vielen Ein-Kind-Familien schwer vermittelbar ist.

Kognitive Lernziele im Vordergrund

Die Schule: Was im Kindergarten an persönlicher Talenteförderung grundgelegt ist, wird von der Schule nur zum Teil aufgenommen. Das Bildungsziel der Pflichtschule ist nicht die individuelle Begabungsbzw. Talenteförderung, sondern die Vermittlung vorgegebener, zumeist kognitiver Lernziele. Die Schule ist eine Art Hürdenlauf, bei dem in vielen Fächern eine Serie von Leistungen erbracht werden müssen. Wenn es in dem einen oder anderen Fach Probleme gibt, so muss ein gesamtes Schuljahr auch in allen anderen Fächern wiederholt werden. Die logische Folge: ein Kind verwendet besonders viel Anstrengung für die Fächer, in denen es schwach ist.

Es gibt Bildungssysteme, in denen bei mehr oder minder starker Betonung der Jahrgangsklassen Kurssysteme in wesentlichen Leistungsbereichen angeboten werden: ein Schüler kann beispielsweise im mathematischen Bereich bereits auf der Leistungsstufe 8 stehen, während er im sprachlichen Bereich erst in der Leistungsstufe 3 ist. In diesem System gibt es keine Klassenwiederholungen. Der Schüler kann seinen Begabungen und Interessen folgend in manchen Fächern bzw. Leistungsbereichen sehr weit vorne sein und eine hohe Förderung erhalten, während er in anderen Bereichen nur ein definiertes Mindestniveau erreichen muss.

Ein solches System ist in der österreichischen Bildungsdiskussion derzeit kaum angedacht. Wir bleiben eher im nivellierenden System der Jahrgangsklassen mit einem für alle verbindlichen Curriculum.

Die kommunale Jugendarbeit

Diese Vereine, Jugendorganisationen, Jugendinitiativen etc., die auf kommunaler Ebene tätig sind, führen die Jugendlichen in die außerfamiliäre kommunale Wirklichkeit ein. In den Vereinen und Initiativen können Jugendliche gemeinsam mit Gleichaltrigen aktiv werden, Sport betreiben, für die Feuerwehr trainieren, weltanschauliche Interessen nachgehen, Wandern und Bergsteigen, aber auch kulturelle Interessen etc. entwickeln. Das Wesentliche dabei ist, dass in der kommunalen Jugendarbeit das Agieren außerhalb der Familie mit einer hohen Eigenverantwortung trainiert wird.

In diesen Vereinen und Organisationen wird aber auch Beziehungsqualität erlebt, die in vielen Fällen auch familiäre Beziehungsdefizite kompensieren kann. Typischerweise ist in Gemeinden mit einer guten Jugendinfrastruktur auch die Belastung durch Drogen und Jugendkriminalität ganz wesentlich geringer als in anderen Gemeinden.

Die in vielen Gemeinden neu angebotene Nachmittagsbetreuung ist vielfach noch im Stadium der Entwicklung. Hier wären ganz beträchtliche Chancen vorhanden, Kinder und Jugendliche in die Strukturen der kommunalen Bürgergesellschaft einzuführen und dort ihre Interessen und Talente gemeinsam mit Gleichaltrigen zu entwickeln. Wenn es gelingt, in die Nachmittagsbetreuung die örtlichen Vereine, die Musikschulen, den Sport, die Kultur etc. einzubinden, würden wir Kinder und Jugendliche wieder viel stärker in das Gemeinwesen einführen.

Nachmittagsbetreuung noch ausbaufähig

Die einfallsloseste und für die Kinder schädlichste Variante wäre die der einfachen Aufbewahrung in den Schulen. Zum Einen sind viele Schulen durchaus für den Unterricht, kaum aber für aktive Freizeitbetreuung gebaut. Durchaus würde es beträchtliche Chancenpotenziale eröffnen, den Schulbau unter dem Aspekt der Freizeitbetreuung zu reformieren.

Es wird also eine Frage der bildungspolitischen Phantasie und der subsidiären Organisation sein, in der Nachmittagsbetreuung den Interessen der Kinder und dem Bedarf an Integration der Jungen in das demokratische Gemeinwesen gerecht zu werden.

Dr. Erich Brunmayr ist Sozialforscher mit Firmensitz in Gmunden und leitet das Institut für strategische Zukunftsforschung an der Niederösterreichischen Landesakademie.