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Die Chemie der Liebe

Von Manuela Hahofer

Reflexionen

Wir kennen ihn alle: den Zustand des Verliebtseins. Einen klaren Gedanken fassen - Fehlanzeige. Man schwebt auf rosa Wolken, möchte nur mit dem geliebten Menschen | zusammen sein und kein Problem scheint plötzlich unlösbar.


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Wir alle wünschen, es würde ewig so bleiben. Doch spätestens beim dritten, vierten Mal wissen wir, dass sich dieser Zustand auch wieder verflüchtigen wird. Die Knie werden wieder zu zittern aufhören, die rosarote Brille wird uns entrissen und der Alltag wird uns wieder fest im Griff haben. Aber was passiert denn da mit uns? Warum fühlen wir uns so anders, wenn wir verliebt sind?

Wenn sich zwei Menschen näher kommen, sich sozusagen beschnuppern, dann sondert jeder sein ureigenes Gemisch von sexuellen Lockstoffen ab: Es sind die Pheromone. Bei dem "Geruchstest" werden vom Gehirn Sexual-Hormone ausgeschüttet. Das Gehirn kann am Geruch des anderen erkennen, ob die Gene des Gegenüber zu uns passen oder nicht. Je unterschiedlicher das Erbmaterial ist, umso besser für die Fortpflanzung - man kann sich daher gegenseitig "gut riechen". Das Verlieben kann beginnen.

Adrenalinschub. Das Herz rast, die Knie werden weich, die Kehle trocken. Das erste Date bei Verliebten bedeutet immer Aufregung pur. Schuld daran ist das Stresshormon Adrenalin. Eigentlich sollte es uns in Gefahrensituationen helfen, uns für einen Kampf den nötigen Energieschub liefern oder uns auf die Flucht vorbereiten. Aber auch beim Verlieben spielt es eine wichtige Rolle. Und: je höher der Adrenalinpegel, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem heftigen Flirt echte Liebe wird.

Und dann kommt das Dopamin ins Spiel. Dopamin aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn. Man könnte die Vorgänge, die jetzt passieren, fast mit denen nach der Einnahme von Alkohol oder Kokain vergleichen. Eine weitere Folge des Dopamins ist der "Tunnelblick". Ähnlich der Sehstörung nach zu viel Alkohol haben Verliebte nur noch Augen für ihren Partner. Und als wäre das noch nicht genug, schüttet unser Gehirn auch noch Serotonin aus. Man könnte fast sagen, dass Serotonin für eine zeitlich begrenzte Geisteskrankheit sorgt. Verliebte verhalten sich zwanghaft, denken sie doch über Stunden an nichts anderes als an ihren neuen Partner und träumen von einer gemeinsamen Zukunft.

Aufregendes verbindet. Forscher haben erkannt: Wenn zwei Menschen, die Sympathie füreinander empfinden, gemeinsam etwas Aufregendes oder sogar Gefährliches erleben, festigt das die Bindung. Schon eine Karussellfahrt im Prater kann aufregend genug sein, um sich zu verlieben. Dem Gehirn wird vorgegaukelt, dass wir uns in Gefahr befinden, es wird aktiv, schickt einen Befehl, mehr Adrenalin ins Blut auszuschütten. Der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller. Auf der heimischen Couch verliebt man sich laut Forschern nicht so rasch. Im Fitnessstudio geht das schon besser. Da klopft das Herz durch die körperliche Anstrengung schon schneller und dann sieht man noch eine - sagen wir - mittelmäßig attraktive Person. Der Körper wird ein wenig getäuscht und glaubt, im verliebten Adrenalinrausch zu sein. Und schon ist es passiert, man verknallt sich. Es ist tatsächlich nachgewiesen, dass man sozusagen auf den eigenen Körper hereinfällt. Das augenzwinkernde Fazit: Man kann sich Menschen nicht nur schön trinken, sondern auch schön laufen.

Gegensätze oder doch Gleiche? Spannend ist nicht nur wie, sondern auch warum man sich in eine bestimmte Person verliebt. Ziehen sich Gegensätze an oder kann man sagen: Gleich und Gleich gesellt sich gerne? Das mit den Gegensätzen ist ziemlich unsinnig, meinen Wissenschafter. Die stabilen Beziehungen sind jene, in denen ein großes Maß an Gemeinsamkeit vorhanden ist. Man kann es vielleicht so auf den Punkt bringen: Gegensätze ziehen sich an, halten es dann aber nicht lange miteinander aus. Die Paare, die erfolgreiche Beziehungen führen, sind jene, die viele Gemeinsamkeiten haben. Ausnahmen bestätigen aber auch in der Liebe die Regel.

Monogam oder nicht? Was passiert dann, wenn die erste Verliebtheit verebbt ist und der Dopaminspiegel auf normal gesunken ist? Bekommt man dann Probleme in der Partnerschaft - wird einem dann die rosarote Sonnenbrille entrissen? Gibt es auch Möglichkeiten, eine Partnerschaft mit Treue "bis der Tod uns scheidet" zu leben? Kurz gefragt: Sind wir monogam oder nicht?

Wir haben unpraktischerweise zwei Veranlagungen in uns und daher kommt viel Wirrnis in unser Liebesleben. Der eine Pol in uns ist in der Tat die monogame Anlage, der andere ist unsere Neugier, gesteuert durch das Dopamin, immer wieder etwas Neues erleben, immer wieder das Gefühl der Verliebtheit auskosten zu wollen. Es ist schwierig dieses Gefühl zu unterdrücken.

Der Reiz der/des anderen. Oft wird nach einem Seitensprung die Frage gestellt: Was hat sie/er, was ich nicht habe? Die Antwort, die aus Rücksicht auf den Partner oft nicht ausgesprochen wird, lautet meist: Nichts, nur dass mich das Neue gereizt hat - ich wollte mich einfach wieder frisch verlieben . . .

Es muss nicht einmal ein großes Defizit in der Partnerschaft geben, wenn es zum Seitensprung kommt - wenn das allerdings auch noch dazu kommt, dann wird es wirklich brenzlig. Nach einem Seitensprung und der eventuell daraus folgenden Trennung steht dann zumindest bei einem Partner der Liebeskummer "auf dem Programm". Was passiert da eigentlich in unserem Organismus, dass das so grausam weh tut?

Das Interessanteste ist, dass diese seelischen Schmerzen durch Liebesentzug genau in der Region des Gehirns entstehen, der auch unsere körperlichen Schmerzen entspringen. Wenn man also sagt: "Du hast mir mit deinen Worten sehr weh getan", dann stimmt das auch, dann ist das mehr als eine Metapher. Da ist unsere Sprache manchmal beeindruckend präzise. Die Worte fühlen wir als richtigen Schmerz.

Bei Liebeskummer ist man auf Entzug - Entzug von der Nähe des geliebten Menschen. Und die Therapie ist genau so wie jeder medizinische Entzug: Die Vermeidung des "Stoffes", der süchtig macht. Das heißt, nicht mehr melancholisch zu den Plätzen, an denen man mit der/dem Verflossenen glücklich war, pilgern, nicht mehr zu den Orten, wo man sich zuerst begegnet ist, gehen und nicht mehr dahin laufen, wo man sich den ersten Kuss gegeben hat. Meist kramen wir alle gemeinsamen Fotos aus dem Schrank und suhlen uns in unserem Leid. Ganz schlecht!

Abkühlung folgt immer. Auch wenn die Liebe nicht abrupt durch den Seitensprung eines Partners beendet wird, jede noch so heiße Leidenschaft flaut irgendwann ab - der Alltag fordert seinen Tribut. An diesem Punkt ist die Partnerschaft in Gefahr. Doch unser Körper hat noch einen Trumpf, und der heißt Oxytocin. Das ist ein bio-

chemischer Stoff, der uns langfristig aneinander bindet. Oxytocin wird beim Sex ausgeschüttet, aber auch bei flüchtigen Körperkontakten, zärtlichen Berührungen oder Massagen wird das Bindungshormon freigesetzt.

Viel Kuscheln fördert also die Liebe und festigt die Beziehung. Aber es gibt noch ein anderes bewährtes Mittel, die Liebe frisch zu halten und so vielleicht für die Ewigkeit zu "konservieren": Forscher haben herausgefunden, dass Paare, die regelmäßig gemeinsam aufregende Dinge tun, zufriedener in ihrer Partnerschaft sind als solche, die ausschließlich den Alltag miteinander teilen. Die Sache ist leicht erklärt: Wenn wir immer wieder gemeinsam überraschende, neue oder gar gefährliche Situationen erleben, schütten wir immer wieder Adrenalin und Dopamin aus - und wir verlieben uns aufs Neue in unseren alten Partner.

Also wenn es in der Partnerschaft ein wenig kriselt, vielleicht mal daran denken, ein gemeinsames neues Hobby, eine neue Sportart auszuprobieren. Es muss ja nicht gleich Bungee-Jumping oder Fallschirmspringen sein. Vielleicht tut es auch ein Kletterkurs oder ein Aktiv-Urlaub?