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Pekings Außenpolitik ist laut China-Analystin von Innenpolitik geprägt.
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"Wiener Zeitung": Was ist das Selbstbild der chinesischen Außenpolitik im Sinne von "Wer sind wir und wie behandeln wir die Welt"?Stephanie Kleine-Ahlbrandt: Ich würde dieses Selbstbild als "jetzt sind wir dran" bezeichnen. Es gibt ein Gefühl von "Wir mussten hundert Jahre lang Demütigung und ungleiche Verträgen erleiden". China will Respekt. Die größte Veränderung in Chinas Haltung war während der globalen Finanzkrise zu sehen. Sie wandelte sich von "Oh mein Gott, wie wird uns das treffen" zu "Moment, wir haben das viel besser überstanden als die meisten anderen Länder". Dann entwickelte sich die Meinung, dass andere Länder China dankbar sein müssten, weil China mitgeholfen hat, die Krise abzufangen. Es gibt dieses Gefühl, dass andere Länder dankbarer sein müssten, als sie es sind.
Kommt das von einem Mangel an Selbstvertrauen in der chinesischen Führungselite?
Es gibt eine Schizophrenie zwischen mangelndem und überhöhtem Selbstvertrauen.
Wenn große Imperien entstehen, dann geht das meist nicht ohne Spannungen vor sich. Ein Grund zur Sorge?
Vermutlich. Aber Chinas Politik können wir nicht beeinflussen, wir können nur versuchen, sie zu gestalten, wie die USA das tun. Das ist aber gefährlich. Nichts, was die USA unternehmen, wird die chinesische Außenpolitik grundsätzlich verändern. Was in der chinesischen Außenpolitik passiert, ist zu 90 Prozent von der chinesischen Innenpolitik abhängig.
Wie soll Europa in dieser Situation handeln?
Europa hat entschieden, sich an die USA anzuhängen. Europa hat realisiert, dass sich die Aufmerksamkeit der USA nach Asien richtet. Es gäbe viele Dinge, die Europa mit China verhandeln könnte. Viele Hebeln sind bisher ungenützt geblieben, da Europa bisher unkoordiniert agiert hat und China sich die am tiefsten hängende Frucht schnappen konnte.
Europa könnte sich aufgrund der Distanz zu Asien zurücklehnen, zusehen und die USA machen lassen.
Sobald es in dieser Gegend ein Problem gibt, wird die EU hineingezogen. Denn die USA würden auf jeden Fall um Hilfe bitten, wie das etwa in Afghanistan der Fall war. Auch die EU hat ein Interesse, dass sich die globalen Ressourcen frei bewegen. Deshalb sehe ich nicht, wie sich die EU von dieser Region lösen könnte.
Stephanie Kleine-Ahlbrandt ist Projektdirektorin für Nordost-Asien beim Brüsseler Think Tank International Crisis Group (ICG). Sie ist auf Chinas Außen- und Sicherheitspolitik spezialisiert und lebt in Peking. Sie sprach auf Einladung des "Salzburg Global Seminars" in Salzburg.
China 2012