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Die CIA als Fußball der Politik

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Präsident Barack Obama weiß, dass die USA einen besseren und stärkeren Geheimdienst brauchen. Am Beginn muss aber dessen Entpolitisierung stehen.


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Andere Staaten, die zusehen, wie die USA ihren eigenen Geheimdienst in der Luft zerreißen, bewundern vielleicht Amerikas unerschütterliches Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wahrscheinlicher ist aber, fürchte ich, dass sie zu dem Schluss kommen: Wer so etwas macht, muss einfach verrückt sein.

Politisches Hickhack - anders sind die jüngsten "Skandale" der Central Intelligence Agency (CIA) schwerlich aufzufassen. Justizminister Eric Holder erwägt strafrechtliche Ermittlungen gegen CIA-Agenten wegen möglicher Folterungen. Aber der interne CIA-Bericht, von dem angeblich Holders Entscheidung abhängen soll, ist schon vor fünf Jahren an das Justizministerium gegangen, mit dem Ergebnis, dass keine strafrechtliche Untersuchung nötig sei.

Unterdessen regen sich im US-Kongress Vertreter der Demokratischen Partei darüber auf, nicht über ein Geheimprogramm, Al-Kaida-Mitglieder zu töten, informiert worden zu sein - ungeachtet dessen, dass dieses Programm niemals umgesetzt wurde und dass die USA routinemäßig Al-Kaida-Kämpfer töten. Und auch ungeachtet dessen, dass Leon Panetta als neuer CIA-Chef einen Skandal fürchtete und daher kurz, nachdem er selbst darüber Kenntnis erhalten hatte, den Kongress über das Programm informierte.

Die Kontrolle von Aktivitäten des Geheimdienstes ist notwendig. Aber aus der CIA einen Fußball der Politik zu machen, wie das sowohl die Republikaner als auch die Demokraten in den vergangenen Jahren getan haben, geht am Ziel vorbei.

US-Präsident Barack Obama hat versucht, dieser Politik des "Hab-ich-dich-endlich-erwischt" eine Ende zu setzen, den Blick nach vorne zu richten, nicht zurück, wie er sagte - und zwar von seinem ersten Tag im Amt an. Schon in seiner Antrittsrede stellte er klar, dass er mit dem Groll und den falschen Versprechen, mit den endlosen Gegenbeschuldigungen und den überkommenen Glaubenssätzen, welche die US-Politik seit langem im Würgegriff halten, Schluss machen wolle. Das Gleiche sagte Obama, als er am 20. April die CIA besuchte.

Justizminister Holder soll beim Lesen der Verhörprotokolle ganz schlecht geworden sein. Und wem würde dabei nicht übel? Das ist wirklich ein dunkles Kapitel in der Geschichte der USA, das sich niemals wiederholen darf. Und Präsident Obama hat völlig zu Recht neue Regeln für den Geheimdienst aufgestellt. Aber was soll mit der Bestellung eines Sonderermittlers in einem Fall erreicht werden, bei dem strafbare Absicht kaum zu beweisen sein dürfte? Was sicher damit erreicht würde, ist die Beschädigung der Arbeitsmoral der CIA-Mitarbeiter sowie einiger Karrieren.

"Wird irgendjemand ins Gefängnis gehen? Wahrscheinlich nicht. Aber man wird eine Spur von ruinierten Agenten hinterlassen", warnt ein langjähriger Mitarbeiter der CIA. Und in der Zwischenzeit werden sich, so fürchte ich, CIA-Agenten von Bereichen wie Terrorismusbekämpfung, wo sich der politische Wind so leicht dreht, möglichst fernhalten.

Obama weiß, dass die USA einen besseren und stärkeren Geheimdienst brauchen. Er will mehr Informationen, als er im Moment in seinen täglichen Berichten findet, und hat bereits mit CIA-Chef Panetta über den Aufbau einer smarteren und energischeren CIA gesprochen. Das ist das Ziel. Am Beginn muss aber die Entpolitisierung des Geheimdienstes stehen und das Beenden der Kultur der fortgesetzten Skandale.

Wenn es der US-Präsident wirklich ernst meint, dass er in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit schauen will, dann muss er jetzt dazu stehen. Auch wenn das bedeutet, dass er sich damit Justizminister Holder und der Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Nanci Pelosi, entgegenstellt.

Übersetzung: Redaktion