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Die Corona-Hotspots wagen die Öffnung

Politik
Unter strengen Regeln nimmt das Leben in Italien langsam wieder Fahrt auf. 
© reuters/Flavio lo Scalzo

Bisher haben sich vor allem Länder wie Österreich, Deutschland oder Dänemark, die gut durch die Corona-Krise gekommen sind, an Lockerungen herangewagt. Mit vorsichtigen Schritten folgen nun besonders betroffene Staaten wie Italien oder Spanien.


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Es ist wohl eines der am meisten Hoffnung machenden Signale nach dem wochenlangen Stillstand im so massiv von der Corona-Pandemie getroffenen Europa: Italien, das mit knapp 27.000 Verstorbenen nach wie vor die höchste Todesrate auf dem Kontinent aufweist, wird ab dem 4. Mai eine Reihe von Beschränkungen aufheben. Im Rahmen der sogenannten Phase 2 werden nicht nur die Menschen wieder Parks und öffentliche Grünanlagen besuchen können und sich vergleichsweise frei in ihrer Heimatregion bewegen dürfen. Auch die Wirtschaft soll in den kommenden Wochen Schritt für Schritt wieder hochgefahren werden. So sollen Industrie und Bauwirtschaft laut den am Sonntagabend von Premier Giuseppe Conte verkündeten Plänen bereits am 4. Mai wieder starten. Ab 18. Mai sollen dann der Kleinhandel, Museen und Bibliotheken öffnen, bevor schließlich mit 1. Juni Bars, Restaurants, Friseure und Schönheitssalons folgen. Langfristig geschlossen bleiben nur die Schulen, sie sollen trotz der zuletzt sinkenden Zahl an Neuinfektionen und der sukzessiven Entspannung in den norditalienischen Spitälern erst nach den Sommerferien wieder ihre Tore öffnen.

Kindergeschrei in Spanien

Italien ist allerdings nicht der einzige Corona-Hotspot, der sich nun mit vorsichtigen Schritte an erste Lockerungsmaßnahmen heranwagt. Im mit mehr als 23.000 Toten ebenfalls stark vom Coronavirus getroffenen Spanien waren am Sonntag wieder Kinderlachen und fröhliches Gekreische auf den Straßen zu hören. Nach sechs Wochen kompletter Ausgangssperre durften Kinder bis 14 Jahre erstmals wieder das Haus verlassen - und das sind landesweit etwa 5,8 Millionen. Es gelten aber strenge Auflagen: Nur ein Elternteil darf maximal drei Kinder begleiten, zudem ist die Zeit der täglichen Ausflüge auf eine Stunde zwischen 9 und 21 Uhr in einem Radius von einem Kilometer begrenzt.

Die Zahlen der spanischen Gesundheitsbehörden geben aber weiter Grund zur Hoffnung: Den dritten Tag in Folge wurden mehr Genesene als neu mit Sars-CoV-2 Infizierte registriert. Zudem wurde mit 288 Verstorbenen am Sonntag die niedrigste Zahl von Todesfällen in Zusammenhang mit dem Virus seit dem 20. März verzeichnet: Wenn die Zahlen stabil bleiben, können die Spanier voraussichtlich ab dem 2. Mai auch wieder zusammen mit Menschen aus demselben Haushalt spazieren gehen, zudem soll das Joggen erlaubt werden. Eine entsprechende Verordnung hofft das Kabinett bereits an diesem Dienstag verabschieden zu können.

Am selben Tag will auch die Regierung in Paris dem Parlament einen Plan für die Lockerung der strengen Ausgangsbeschränkungen in Frankreich vorlegen. Premierminister Édouard Philippe kündigte auf Twitter an, der Plan, den er vorlegen werde, beinhalte sechs Punkte: "Gesundheit (Masken, Tests, Isolation...), Schule, Arbeit, Geschäfte, Transport und Versammlungen." Die Abgeordneten sollen anschließend beraten und abstimmen.

Präsident Emmanuel Macron hatte bereits angekündigt, dass die seit dem 17. März geltenden Beschränkungen vom 11. Mai an gelockert werden sollen. Bisher ist bekannt, dass Schulen und Kindergärten etappenweise öffnen, Restaurants bis Ende Mai geschlossen und größere Versammlungen mindestens bis Mitte Juli verboten bleiben sollen. In Frankreich wurden bisher mehr als 125.000 Ansteckungen mit dem Coronavirus vermeldet. Knapp 23.000 Menschen starben bisher wegen des Virus.

Auch in den USA ziehen nach ersten umstrittenen Lockerungen im US-Bundesstaat Georgia diese Woche weitere Staaten nach. In Tennessee sollen am Montag Restaurants unter bestimmten Bedingungen für Gäste öffnen, am Mittwoch soll es Bewegung im Einzelhandel geben. Zudem soll am Donnerstag in Texas die Anordnung, dass Bürger weitgehend zu Hause bleiben müssen, auslaufen, wie US-Medien berichten. Selbst in einigen Teilen des besonders heftig von der Pandemie betroffenen US-Bundesstaates New York könnten laut Gouverneur Andrew Cuomo erste Unternehmen ab Mitte Mai wieder öffnen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die Lage weiter bessert und die Firmen gewährleisten können, dass die Abstandsregeln eingehalten werden und es genügend Atemschutzmasken für die Mitarbeiter gibt. Besonders schwierig wird die Öffnung aber in der dicht besiedelten Millionenmetropole New York City werden. Dort hatte sich das neuartige Coronavirus deutlich schneller als in anderen Städten der USA verbreitet. Zu den Hoch-Zeiten der Pandemie starben in New York täglich fast 800 Menschen.

Fast alles offen in Tschechien

Die zaghaften Öffnungsschritte in den am schwersten vom Coronavirus betroffenen Länder können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihnen noch lange dauern dürfte, um dorthin zu gelangen, wo die bisher am besten durch die Corona-Krise gekommenen Länder schon jetzt sind. So haben in Tschechien seit diesem Montag fast alle Geschäfte mit Ausnahme von Megaläden mit mehr als 2500 Quadratmetern und Einkaufszentren mit mehr als 5000 Quadratmetern Verkaufsfläche wieder offen. Auch Fitness-Center, Bibliotheken, Tiergärten und Fahrschulen haben wieder aufgesperrt. Und in der Schweiz dürfen seit Montag neben Baumärkte und Gartencenter auch wieder Friseurgeschäfte, Kosmetik- oder Nagelstudios ihre Dienste anbieten.

Wie schnell eine scheinbar unter Kontrolle geglaubte Situation auch wieder aus dem Ruder laufen kann, hat sich zudem in Singapur und in Schweden gezeigt. So sind im südostasiatischen Stadtstaat, der lange als Vorbild im Kamp gegen Corona galt, nach einem explosionsartigen Anstieg der Fallzahlen mittlerweile strenge Ausgangssperren in Kraft.

Und im lange Zeit auf lockere Maßnahmen setzenden Schweden drohte Innenminister Mikael Damberg nun sogar mit der Schließung von Lokalen, nachdem in vielen von ihnen die empfohlenen Abstandsregeln missachtet wurden.(rs)