Ein brutales Attentat wirft Licht auf die betrügerischen Geschäfte der sizilianischen Mafia.
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Rom. Sizilien, eine vom Wald umschlossene Landstraße. Es ist tiefe Nacht, der Fahrer der gepanzerten Limousine erkennt vor ihm Steinbrocken im Scheinwerferlicht und bremst. Plötzlich fallen aus dem Dickicht Schüsse, drei von ihnen dringen in die linke Hintertüre des Wagens ein. Ein Leibwächter wirft sich auf Giuseppe Antoci. Erst als kurz darauf ein Auto mit zwei bewaffneten Polizisten anrollt, können die Angreifer nach einem Feuergefecht in die Flucht geschlagen werden. Sie fliehen in die Wälder des Nebrodi-Regionalparks. Die Ermittler finden am Tatort drei Molotowcocktails.
"Ich weiß genau, wer die Täter sind", wird Giuseppe Antoci am nächsten Tag sagen. Nicht wenige Beobachter fühlen sich angesichts des Attentats von Mittwochnacht in die finstersten Zeiten der Cosa Nostra zurückversetzt. Damals, als missliebige Staatsdiener von den Mafiosi einfach eliminiert wurden. In diesen Tagen wird auf Sizilien der beiden vor 24 Jahren ermordeten Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino gedacht.
Diesmal war das Ziel der Chef des Nebrodi-Regionalparks, ein nur scheinbar unbedeutender Verwaltungschef in der Provinz Messina. Doch der 48-jährige Giuseppe Antoci hatte ganz offenbar die millionenschweren Interessen der Bosse durchkreuzt. Nach einer vergleichsweise langen Zeit ohne nennenswerte Gewaltakte meldet sich die Cosa Nostra brutal zurück. "Die Mafia erhebt wieder ihr Haupt", sagt Guido Lo Forte, Chef-Staatsanwalt von Messina.
Für Antoci ist das Attentat "der Beweis, dass wir den richtigen Nerv getroffen haben". Wo der Handel mit Drogen oder Waffen nicht ergiebig ist, setzt die sizilianische Mafia auf das Abschöpfen öffentlicher Gelder. Deshalb wurde Antoci zu ihrem Ziel. Seinen Kampf gegen die Mafia will er trotzdem weiter fortsetzen, wie er ankündigte.
Milliardengeschäft mit EU-Förderungen
Antoci hatte das Vergabeverfahren für die Pacht von Weideflächen im Nebrodi-Park, dem größten Naturschutzgebiet Siziliens, verschärft, 23 von 25 Antragstellern erhielten zuletzt keine Konzessionen mehr. Dank willfähriger oder korrupter Verwaltungsangestellter hatten sich die Mafia-Familien bis dahin tausende Hektar Land zu Schleuderpreisen gesichert und staatliche Fördergelder en masse eingestrichen, darunter auch Suventionen aus Brüssel. "Das Geschäft mit den Ländereien übersteigt das mit Drogen", behauptete ein Mitglied der parlamentarischen Antimafia-Kommission in Rom. Dabei soll es insgesamt um etwa eine Milliarde Euro jährlich gehen.
Antoci ist seit drei Jahren als Präsident des Regionalparks im Amt, seit zwei Jahren steht er unter Personenschutz - der nun verschärft wird. Einer der letzten Einschüchterungsversuche war ein anonymer Drohbrief gegen ihn und den Regionspräsidenten Rosario Crocetta Ende 2014. "Ihr werdet abgestochen", hieß es in dem Schreiben.
Crocettas Angaben zufolge wurden zuletzt Pacht-Konzessionen für 4200 Hektar aufgehoben. Statt des regulären Preises von 3000 Euro pro Hektar hatten die im Verdacht stehenden Betriebe gerade einmal 30 Euro pro Hektar bezahlt und kassierten zudem staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe. Antoci ist sich jedenfalls sicher: Hinter der Tat stecken die Mafiosi des Clans aus Tortorici, aber auch die kalabrische ’Ndrangheta. "Die von uns für Sizilien eingeführten Regeln werden demnächst auch in Kalabrien angewandt", sagt er. Für die Bosse offenbar ein Grund mehr, die Urheber aus dem Verkehr zu ziehen.