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"Die CO<sub>2</sub>-Steuer wäre ein wichtiger Anreiz"

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Diesel-Subventionen, zu wenige Ladestationen und mutlose Politiker:
Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer über die Gründe, warum die Elektromobilität noch immer mit angezogener Handbremse unterwegs ist.


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"Wiener Zeitung": Bei der am Donnerstag in Frankfurt beginnenden Internationalen Automobilausstellung (IAA) wird Klimaschutz das zentrale Thema sein. So wird in den Messehallen nicht nur die Elektromobilität viel stärker im Fokus stehen als bei der letzten Veranstaltung vor zwei Jahren, erstmals sieht sich die IAA auch mit Demonstrationen von Klimaschützern konfrontiert. In vielen europäischen Ländern sind die Zulassungszahlen von Elektroautos aber nach wie vor verschwindend gering. Wie lange wird es ihrer Meinung nach dauern, bis die Elektrowende vollzogen ist und zumindest 50 Prozent Elektroautos auf den Straßen sind?Ferdinand Dudenhöffer: 50 Prozent Elektroautos auf den Straßen wird noch lange dauern. Denn der Bestand wird ja durch die Neuzulassungen immer nur leicht verändert. Vielleicht ist es 2040 so weit, vielleicht auch schon 2035. Wichtig ist jetzt, dass wir die Zulassungen nach oben bringen, das heißt, dass die neuen Autos Elektroautos sind. Dann werden die Fahrzeuge, die fünfzehn Jahre im Markt sind, Stück für Stück rausfallen.

Woran liegt es, dass die Elektromobilität nicht schneller vorankommt? Wollen die Menschen ihre großen Diesel-SUVs einfach nicht gegen Elektroautos eintauschen?

Die Menschen wollen deshalb nicht so richtig, weil sie es nicht kennen. Es ist eine völlige neue Technologie. Den Diesel und den Benziner, den kennt man, mit dem ist man groß geworden. Und jetzt soll auf einmal ein anderes Auto kommen, das teurer ist und derzeit oft noch Komforteinbußen bringt, weil die Reichweite nicht so groß ist und das Ladenetz noch kaum ausgebaut ist. Und an den Ladesäulen im öffentlichen Raum ist der Preis für den Strom äußerst unterschiedlich, zum Teil sind das Apothekerpreise. Die Industrie wollte zudem vor allem mit Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen in die Zukunft gehen. Es gibt also mehrere Gründe, warum wir bis heute mit angezogener Handbremse in Richtung Elektromobilität unterwegs sind.

Was kann oder sollte getan werden, um das zu beschleunigen?

Das Wichtigste, was getan werden musste, hat bereits die EU-Kommission mit der Verschärfung der Abgasvorschriften erledigt. Das heißt, der Hochlauf kommt jetzt, weil die Strafen für Autobauer, die zu wenige Elektroautos produzieren und verkaufen, einfach zu hoch sind. Mittelfristig würden diese Strafzahlungen sogar das Überleben eines Unternehmens gefährden. Die einzelnen Länder, Städte und Kommunen müssen jetzt die Voraussetzung schaffen, dass die Fahrzeuge auch bei den einzelnen Menschen gut ankommen und angenommen werden. Gerade in Großstädten wie Wien, München oder Hamburg gibt es viele Leute, die kein Haus haben, sondern in Miet- oder Eigentumswohnungen leben, und da ist es wichtig, dass eine entsprechende Anzahl an Ladesäulen gebaut wird. Das läuft zwar jetzt schon, aber noch immer sehr planlos. Gleichzeitig müssen wir aber auch dafür sorgen, dass die Langstreckenfähigkeit durch die Ladeinfrastruktur gewährleistet wird. Tesla hat uns das ja bereits vor fast zehn Jahren vorgemacht, indem von Norwegen bis zum Mittelmeer herstellereigene Supercharger-Stationen aufgestellt wurden. Man kann also quer durch Europa fahren und sein Auto in 20 Minuten wieder auf 80 Prozent der Kapazität aufladen. Genau daran arbeiten jetzt auch die anderen Autobauer.

Ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur eine Sache, die der Markt regeln kann, oder braucht es nicht vor allem in den Städten die öffentliche Hand?

Im Prinzip könnte es der Markt auch regeln, die Tankstellen sind ja auch keine staatlichen Tankstellen. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass die Städte miteingreifen. Denn in den Innenstädten bringen emissionsfreie Autos ja auch unmittelbar Vorteile. Die Luft wird sauberer, die Fahrzeuge werden leiser und die Lebensqualität wird höher.

Braucht es noch mehr Anreize für die Konsumenten, etwa in Form von Kaufprämien?

Nein. Kaufprämien sind immer nur eine kurzfristige Sache und werden den Markt nicht bewegen. Man muss die Rahmenbedingungen richtig setzen, damit die Leute wissen, wie es in den nächsten zehn Jahren aussehen wird. Etwa bei der Dieselbesteuerung, wo die derzeitige Regelung katastrophal ist. Für die Steuersubventionen von Diesel gibt es überhaupt keine Grundlage und der aktuelle Dieselpreis ist eigentlich ein Killer-Kriterium für die Elektromobilität. Wenn sie den Autofahrern, die an der Tankstelle vorbeifahren, permanent zeigen, dass Diesel preisgünstig ist und dass man Diesel kaufen soll, dann kaufen die den auch. Die CO2-Steuer, an der man in Deutschland gerade arbeitet, wäre ein wichtiger Anreiz, um den Autofahrern auch bei den laufenden Kosten das Signal zu geben, dass Elektroautos eine Alternative sind. Unsere Politiker agieren aber häufig so, dass sie niemanden irgendwo wehtun, weil man damit möglicherweise Wähler verliert. Also macht man mehr als faule Kompromisse.

Sie haben vorher über die Wichtigkeit von Rahmenbedingungen gesprochen. Wäre da nicht auch ein politisches Bekenntnis für das Ende des Verbrennungsmotors samt Datum sinnvoll?

Ja sicher wäre das sinnvoll, ebenso wie auch beim Kohleausstieg ein Enddatum gesetzt wurde. Aber beim Verbrennungsmotor bekommt man das ja in vielen wichtigen Ländern nicht hin. In China wird es aber wohl sicher kommen und auch die Niederlande und Norwegen, wo heute 50 Prozent der neuzugelassenen Fahrzeuge Elektroautos sind, haben das definiert. Für die Industrie ist es immer gut, feste und verlässliche Daten zu haben, um dann nicht im Tagesgeschäft Dinge machen zu müssen, die sehr viel Geld kosten, weil man sie schnell umsetzen muss.

Welche Rolle wird Wasserstoff bei der Mobilitätswende spielen? In Österreich ist zuletzt intensiv darüber diskutiert worden. Einige sehen darin den Königsweg, viele andere sehen die Brennstoffzellen-Technologie nur in ganz spezifischen Bereichen, wie etwa dem Nutzfahrzeugsektor, als sinnvoll an.

Ich gehöre eher zur letzten Gruppe. Wenn Sie Elektromobilität wirklich auf die Straße bringen wollen, dann sollte es jetzt nicht ein zweites Szenario geben, das noch langfristige Planungen und Tests benötigt. Dann reden wir nämlich vom Jahr 2050 oder 2070, bis wir unsere Mobilität umstellen. Denn das Wasserstoff-Auto, so wie sie es heute etwa von Toyotoa bekommen, kostet 80.000 bis 85.000 Euro und hat die Größe eines VW Golf. Das ist unmöglich zu verkaufen. Zum Zweiten fehlt die Wasserstoffinfrastruktur, wenn Sie die flächendeckend machen, wird es ausgesprochen teuer. Es wird kein privatwirtschaftliches Unternehmen vorangehen und eine flächendeckende Infrastruktur ausrollen. Das ist schon einmal mit Gastankstellen versucht worden und da hat man sich ein blaues Auge geholt. Und der Wasserstoff wird heutzutage nicht regenerativ erzeugt, sondern als Koppelprodukt mit der Rohölindustrie, also alles andere als CO2-frei. Mit dem Brennstoffzellen-Auto hat man zwar schnellere Tankvorgänge, aber der Weg dorthin ist so steinig, dass man besser den schnelleren Weg geht, der jetzt mit batterieelektrischen Autos zur Verfügung steht. Die Brennstoffezelle macht aber Sinn für den Transportverkehr. Es ist leicht, an Autobahnen drei oder fünf Wasserstoff-Tankstellen aufzustellen. Lkw haben größere Tanks und wenn ein Lkw 300.000 bis 400.000 Euro kostet, spielen zehntausend Euro zusätzlich nicht so eine Rolle wie beim Golf, der 20.000 Euro kostet. Das Gleiche gilt auch für Busse.

Wie konkurrenzfähig ist die europäische Fahrzeug-Industrie bei alternativen Antrieben? Sind Tesla und die asiatischen Hersteller da längst enteilt oder werden die Europäer mit ihrer geplanten Modelloffensive Paroli bieten können?

Tesla fährt allen voran, weil das Unternehmen die beste Technik hat und immer wieder Innovationen bringt. Tesla ist dem Rest der Welt mit Sicherheit zwei, drei Jahre voraus. Die Koreaner sind ebenfalls nicht schlecht aufgestellt und haben den Vorteil, dass die gesamte Batteriewelt nach wie vor in Korea sitzt. Bei den Chinesen ist der Vorsprung noch nicht so groß. Bei BYD waren die Fahrzeuge in der Vergangenheit eher einfacher und auch bei Geely ist man noch nicht weit voran. Nach meiner Meinung hat Europa also noch gute Chancen. Ich glaube auch, dass das, was Volkswagen macht, nämlich sich voll auf die Elektromobilität zu konzentrieren, der richtige Weg ist. Man hat eine eigene Plattform entwickelt und versucht jetzt mit dem ID.3 Weltmarktführer zu werden.

Ferdinand Dudenhöffer ist einer der renommiertesten Autoexperten im deutschsprachigen Raum. Der 68-Jährige ist Professor an der Universität Duisburg-Essen und leitet das von ihm gegründete CAR - Center Automotive Research.