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Die "Crowd" zwischen Geld spenden, investieren und riskieren

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse hat als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter der Universität Wien gearbeitet und ist auf kredit-, land- und wohnungswirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.

Die möglichen Gefahren und Grenzen der Genossenschaft.


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Vor kurzem ist das Alternativfinanzierungsgesetz in Kraft getreten. Damit kann - kurz gesagt - Kapital bei vielen nicht professionellen Anlegern (ohne aufwendigen Kapitalmarktprospekt) bis zur Obergrenze von 1,5 Millionen Euro je Emission und jährlich 5000 Euro je Anleger aufgenommen werden.

In der Öffentlichkeit klingen vor allem die Vorteile an, wenn viele zusammen erwerbswirtschaftliche Projekte bis hin zu einer Unternehmensgründung finanzieren helfen (Crowdinvesting). Auch gemeinnützige (Non-Profit-)Vorhaben sammeln Kapital über internetbasierte marktähnliche Plattformen (Crowdfunding) wie etwa www.mit.einander.at oder www.respekt.net.

Crowdinvesting beziehungsweise -funding über Plattformen wird aus meiner Sicht zu stark in die Nähe genossenschaftlicher Selbsthilfe gerückt. Denn es sind zwar viele, deren Beiträge zusammengenommen etwas realisieren, aber es ist zuallererst eine Hilfe für die Träger dieser Projekte und Ideen. Die Vielen tragen als Geldgeber bei - im erwerbswirtschaftlichen Projekt wie ein Investor, im gemeinnützigen wie ein Spender. Meistens fehlt es an Einfluss auf die Ausgestaltung und weitere Entwicklung des Projekts. Die meisten bestehenden Crowdinvesting-Plattformen ähneln Kreditinstituten, sie sind alternative Finanzintermediäre, die aber derzeit keinerlei Risikoprüfung vornehmen und (im Gegensatz zu Banken oder Sparkassen) nicht viele Risiken übernehmen und (anders als in ursprünglichen Kreditgenossenschaften) nicht solidarisch teilen. Das Risiko eines Kapitalverlustes trägt jeder Crowdinvestor für alle seine Projekte allein beziehungsweise tragen die Crowdinvestoren zusammen.

In genossenschaftlicher Hinsicht interessant wäre es, wenn etwa Projektinitiatoren ihre eigene Plattform gründen und betreiben würden und die Träger eines Projekts ihren Crowdinvestoren Mitbestimmungsrechte einräumen und sie aus dem Projekt heraus fördern würden. Derzeit fehlen sowohl auf Ebene der Plattformen als auch der Projekt zumeist diese partizipativen Elemente einer Genossenschaft. Die Geldgeber fungieren in erster Linie als Ermöglicher - erst nach der Verwirklichung besteht für sie die Aussicht, zum Beispiel als Kunde indirekt durch das Projekt gefördert zu werden.

Anders verhalten sich genossenschaftlich realisierte Projekte wie zum Beispiel die Gründung des Nahversorgers Kirchstetten, einer Konsumgenossenschaft in Niederösterreich, deren Mitglieder den Betrieb eines Geschäftes im Ort aufrechterhalten, in dem sie und andere einkaufen können. Oder wenn eine gemeinnützige Bauvereinigung sich eine Spareinrichtung der Mitglieder und Bewohner angliedern und dadurch ihre Kreditbasis verbreitern würde.

Trotz mancher Vorbehalte dürfte das Interesse an Crowdinvesting und -funding weiter zunehmen. Wir werden von Projekten lesen, deren Investoren ihr Geld verloren haben, und von Projekten, die sehr erfolgreich waren und neue Arbeitsplätze geschaffen oder soziale Angebote ins Leben gerufen haben. Wir dürfen weiter gespannt sein auf neue Initiativen der Projektermöglichung durch die "Crowd", darunter auch genossenschaftliche Ansätze wie zum Beispiel CrowdCoopFunding.