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Die Crux mit Rechtsgutachten

Von Theodor Tomandl

Wirtschaft

Keine richtigen, aber vertretbare | Gutachten. | Lösung des Falls hängt von Gerechtigkeitsgefühl ab. | Richter muss | überzeugt werden. | Wien. Der Streit um die Eurofighter nährt eine verbreitete Meinung, dass Rechtsgutachter käuflich sind. Es ist zwar einzuräumen, dass auch sie Menschen sind und daher ebenso wie Angehörige anderer Berufe Versuchungen erliegen können.


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Nach meiner Einschätzung ist das aber bei unabhängigen Gutachtern nur höchst selten der Fall. Anders als bei einem Anwalt, von dem der Auftraggeber erwarten darf, dass er alle für ihn sprechenden Argumente verwenden und alle entgegenstehenden bekämpfen wird, richtet sich der Anspruch an einen Rechtswissenschafter auf ein objektives Gutachten.

Unterschiedliche Information

Warum widersprechen sich Gutachten dann so häufig? Hauptsächlich deshalb, weil die Gutachter von ihren Auftraggebern unterschiedliche Informationen über den zu beurteilenden Sachverhalt erhalten. Sind die Unterschiede für die Beantwortung der Rechtsfragen relevant, dann müssen die Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Dieser Umstand wird nach außen nicht bekannt, wahrgenommen wird nur ein Streit der Gutachter.

Im Fall Eurofighter können sich Gutachter derzeit nur auf Informationen aus dem Untersuchungsausschuss stützen, nicht aber auf verbindliche Feststellungen. Jeder Gutachter muss diese Informationen eigenständig auf ihre Glaubwürdigkeit und rechtliche Tragweite beurteilen, ohne selbst Beweise aufnehmen zu können. Kommen Richter später zu einer unterschiedlichen Beurteilung des Sachverhaltes, entzieht dies den Gutachten deren Boden.

Bei jeder Auslegung eines Vertrages kommt hinzu, dass nicht dessen Wortlaut entscheidend ist, sondern die mit ihm von den Parteien verfolgte Absicht. Diese kann sich aus dem Ablauf der Vertragsverhandlungen, aus ergänzenden mündlichen Abreden, unter Umständen aber auch erst aus der Art ergeben, wie die Parteien den tatsächlichen Ablauf gestalten.

Jurist entscheidet über die Auslegung

An der Wiege der Lösung jedes Rechtsfalles steht zudem das Vorverständnis des jeweiligen Juristen. Erscheint diesem nämlich auf der Basis seines Gerechtigkeitsgefühls die Falllösung ausschließlich nach dem vorliegenden Gesetzes- oder Vertragstext sachgerecht, wird er den Text anwenden und keine weiteren Überlegungen anstellen.

Erst wenn das Ergebnis den Rechtsvorstellungen widerspricht, wird man beginnen, verschiedene juristische Methoden anzuwenden, um das Ergebnis in Frage zu stellen.

Dabei steht dem Rechtsanwender ein reiches Spektrum zur Verfügung. Ob er bei der sprachlich-grammatikalischen Bedeutung des zu untersuchenden Textes stehen bleibt oder diesen im Lichte seiner Entstehungsgeschichte, der Systematik, in die der Text eingebunden ist, oder den Zielsetzungen deutet, liegt ausschließlich bei dem Juristen.

Keine Methode ist die richtige

Dabei gehört zur Redlichkeit des Juristen, die von ihm bevorzugten Methoden nicht nach dem jeweils gewünschten Ergebnis zu wechseln. Es gibt daher unter den Juristen solche, die als "Formalisten" gelten, andere hingegen sind Anhänger einer stark wertbetonten Jurisprudenz. Da keine dieser Methoden den jeweils anderen übergeordnet ist, ist ein Ergebnis - wenn die Methode sauber angewendet wurde - deshalb zwar nicht richtig, aber vertretbar.

Im Rechtsstaat kann nur der Richter den Fall verbindlich entscheiden. Man könnte daher sagen, eine Interpretation ist dann richtig, wenn sie den Richter überzeugt. Welche das sein wird - und das gilt auch für den Eurofighterstreit - lässt sich höchstens vermuten, nicht aber vorhersagen.

Theodor Tomandl ist emeritierter Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien.