Vieles ist in der Theorie verboten, doch in der Praxis gibt es mehrere Mittelwege.
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Wien. Die Weihnachtszeit stellt viele muslimische Familien auf die Probe. Die Festtage bringen Sitten und Bräuche mit sich, die der islamischen Kultur nicht bekannt sind, darunter das Aufstellen und Schmücken eines Christbaums. Jahrein, jahraus überlegen muslimische Eltern, ob sie für ihre Kinder einen kaufen sollen. Nach Meinungen einiger Islamgelehrter ist das aktive Feiern des Festes zu unterlassen und als verboten - "haram" - einzustufen. Dennoch gibt es Spielraum für Szenarien, die zeigen, was der Islam dazu zu sagen hat und was die Muslime tun können.
"Mein Kind möchte, dass ich ihm einen Weihnachtsbaum kaufe, weil seine Freunde einen haben und bei ihm in der Schule ein geschmückter Baum aufgestellt wurde, der ihm sehr gefällt", erzählt eine Mutter. Der Christbaum gilt jedoch als Teil des Weihnachtsrituals, und der Kauf und das Aufhängen von Christbaumschmuck sind verboten. In Bezug auf Kinder ist das weihnachtliche Feierverbot allerdings nicht so rigoros. Darum gibt es Eltern, die tatsächlich kleine Weihnachtsbäume kaufen, damit ihre Kinder nicht ausgegrenzt werden.
Manche sind dabei kreativ. "Als mein Sohn noch klein war, habe ich einen kleinen Zitronenbaum, den wir daheim stehen hatten, geschmückt und als Weihnachtsbaum präsentiert", berichtet Mirela B. "Jetzt ist er aber schon älter, und ich habe ihm erklärt, dass wir keine Weihnachtsbäume mehr kaufen werden." Laut islamischen Regeln ist die Natur zu achten und deshalb auch sinnloses Abholzen zu unterlassen, was für viele ein zusätzliches Argument gegen Christbäume ist.
Die Nikolo-Lieder singen
"Im Kindergarten lernt mein Kind über den Nikolo. Es wird auch in die Feier einbezogen und singt Nikolo-Lieder. Was soll ich tun?" Auch das hört man von praktizierenden muslimischen Eltern. Kleinen Kindern, die noch den Kindergarten oder die Volksschule besuchen, kann man nur sehr schwer erklären, dass dies nicht zu ihrer Kultur oder Religion passt. "Eltern hätten zwar die Option, den Schul- oder Kindergartendirektoren mitzuteilen, ihre Kinder aus den Feiern auszuschließen", sagt Mithat Mujovic, Imam, Islamwissenschafter und Entwicklungspsychologe, "es ist aber zu bedenken, dass dies negative Folgen für das Kind haben könnte, da es nicht versteht, warum es ausgegrenzt wird." Die zweite Option wäre, den Kindern lediglich die Teilnahme an den Weihnachtsritualen zu verbieten, sie aber an Spielen und Ähnlichem teilnehmen zu lassen. In manchen Familien, wie der von Zeynep, ist es aber auch ganz anders: "Meine Tochter kennt alle Weihnachtslieder, weiß jedoch nichts über ihre eigene Kultur. Aber mit der Zeit werde ich ihr das alles erklären. Jetzt soll sie einfach einmal Kind sein."
Eine andere Mutter ist damit konfrontiert, dass ihr Kind "den Christkindlmarkt besuchen will, weil ihm die geschmückten Hütten und die Atmosphäre gefallen". Dagegen ist aus islamischer Sicht nichts einzuwenden, auch nicht gegen den Kauf von Süßigkeiten auf Adventmärkten. Angesichts der vielen Punschstände und des abends zunehmenden Alkoholkonsums raten Gelehrte aber, sie nur tagsüber zu besuchen. "Ich gehe mindestens einmal in der Woche hin", sagt Rialda S., "und kaufe meiner Tochter irgendetwas Süßes, manchmal auch Spielzeug, und wir trinken dann immer Kinderpunsch zusammen. Ich finde, das ist okay."
Und dann ist da noch die Sache mit den Weihnachtsgeschenken. "Im Kindergarten, in der Schule, auf der Straße und im Fernsehen sehen meine Kinder, wie Geschenke ausgetauscht werden. Soll ich ihnen auch welche kaufen?", fragen muslimische Eltern.
Geschenke als Zwickmühle
Prinzipiell sollte man seine Kinder ja im Islam öfter beschenken. "Extra für Weihnachten ein Geschenk für die Kinder zu kaufen widerspricht aber den Regeln des Islam", erklärt Imam Mujovic. "Wir wissen aber, dass es manche dennoch tun, und verurteilen das nicht. Wir betonen aber, dass es für das Zusammenleben und die Integration wichtig ist, die Regeln der Religion klar zu formulieren und ihnen nachzugehen."
Eltern finden sich hier in einer Zwickmühle und versuchen den Spagat zwischen beiden Kulturen zu schaffen. "Ich habe eine alte Balkan-Tradition übernommen", sagt Haris K. "In meiner Heimat Mazedonien kamen der Weihnachtsmann und somit die Geschenke immer am Silvesterabend. Das habe ich übernommen und schenke meinen Söhnen am Silvesterabend etwas. So weiche ich dem Beschenken zu Weihnachten aus." Ismet hingegen lehnt den Kauf von Geschenken, Christbäumen und Dekoration vehement ab: "Der Islam hat eigene Feiertage, zu denen ich meine Kinder extra beschenke."
Eine andere Frage, mit der Imame konfrontiert werden, lautet: "Meine Nachbarn haben mich zu einem Weihnachtsabendessen eingeladen. Was soll ich tun?" Der Islam verbietet es nicht, Personen anderer Religionen zu besuchen. Im Gegenteil: Miteinander wird gepredigt. "Ein Muslim sollte sich gegenüber seinen andersgläubigen Freunden und Nachbarn klar tolerant verhalten, dabei freilich seine eigene Kultur nicht außer Acht lassen", sagt Mujovic.
Doch es ist auch hier nicht ganz so einfach. So ist es erlaubt, "frohe Festtage" zu wünschen, während "frohe Weihnachten" für Diskussionen unter Islamgelehrten sorgt. Damir geht jedenfalls gerne zum Weihnachtsabendessen. "Ich liebe Weihnachtsgänse und Weihnachtskekse", sagt er. Im Sinne eines friedlichen Miteinanders und als Zeichen der Toleranz sollte man nach Meinung der Gelehrten solche Einladungen annehmen und seine Nachbarn zu den islamischen Feiertagen wie dem Zuckerfest einladen.