Die CDU ist erstmals seit 17 Jahren wieder stärkste Kraft im norddeutschen Bundesland Schleswig-Holstein. Wegen der FPD-Stimmenverluste verfehlte die Rechtsopposition bei der Landtagswahl vom Sonntag jedoch um 745 Stimmen die absolute Mehrheit. Für die ersehnte Ablöse von Rot-Grün braucht CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen daher die Unterstützung der dänischen Minderheitspartei SSW. Diese erklärte sich zwar zu Sondierungsgesprächen mit allen Lagern bereit, als aussichtsreichste Variante gilt allerdings eine neuerliche Tolerierung der rot-grünen Minderheitsregierung von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis.
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Bei dem ersten bundespolitischen Stimmungstest für die rot-grüne Koalition in Berlin bei Landtagswahlen in diesem Jahr ist die SPD trotz massiver Stimmenverluste mit einem blauen Auge davongekommen. Zwar stellen beide Parteien im Kieler Landtag künftig nur noch 34 Mandate und damit eines weniger als Union und FDP, mit Hilfe des Südschleswigschen Wählerverbandes SSW (zwei Mandate) geht sich aber eine Mehrheit knapp aus.
Ministerpräsidentin Simonis sprach sich denn auch für eine rasche Einigung mit der Dänenpartei aus, die die rot-grüne Regierung schon bisher unterstützt hatte. Erste Gespräche waren bereits gestern geplant. Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk wollte sich vor Sondierungsgesprächen mit der CDU aber nicht definitiv festlegen. Sie sei zu Gesprächen mit allen Parteien offen, erklärte sie. Ihre Entscheidung machte sie dabei von arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Maßnahmen abhängig. Darunter gehört die Einführung eines gemeinsamen Schulunterrichts bis zur neunten Klasse sowie Subventionierung des Zweiten Arbeitsmarktes. Diese Punkte hatte die SPD bereits in ihr Wahlkampfprogramm aufgenommen, um sich die Gunst der SSW zu sichern.
CDU bedrängt SSW
Die CDU lehnte diese Ansinnen hingegen bisher ab, was die Einigung auf eine Unterstützung der Rechtskoalition durch die Minipartei nicht gerade erleichtern wird. Carstensen wird hier jedenfalls Zugeständnisse machen müssen, wenn er Ministerpräsident von Schleswig-Holstein werden will.
Gestern bemühten sich er und seine Partei zunächst, den SSW mit politischem Druck auf einen Seitenwechsel einzuschwören. "Es wird Gespräche geben. Wir haben die Wahl gewonnen", gab sich der CDU-Spitzenkandidat vor der Präsidiumssitzung am Montagmorgen in Berlin selbstsicher. Eine vom SSW gestützte rot-grüne Minderheitsregierung "wäre eine Katastrophe" für das Bundesland. Noch deutlicher wurde der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Diese forderte eine "ernst zunehmende Debatte" darüber, "ob eine nationale Minderheit einen Wahlsieg ins Gegenteil verkehren kann". Man müsse aufpassen, dass der Wählerwille nicht verfälscht werde, stieß der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ins selbe Horn. CDU-Generalsekretär Volker Kauder erinnerte die amtierende SPD-Ministerpräsidentin daran, dass sie vor der Wahl mehrmals ein Zusammengehen mit der dänischen Minderheitenpartei abgelehnt habe. "Man wird nun sehen, was das Wort der Ministerpräsidenten wert ist", erklärte der engste Berater von CDU-Chefin Angela Merkel.
Schlechtestes SPD-Ergebnis seit Jahrzehnten
Die SPD erzielte in Schleswig-Holstein eines der schwächsten Ergebnisse seit Jahrzehnten. Laut Endergebnis kam sie auf 38,7 Prozent (29 Sitze) und verlor damit seit der letzten Landtagswahl im Jahr 2000 4,4 Prozentpunkte. SPD-Landesvorsitzender Claus Möller sprach denn auch von einem "Sieg zweiter Klasse".
Die CDU legte um 5 Punkte auf 40,2 Prozent (35,2) zu und ist künftig mit 30 Mandaten im Landtag vertreten. Die FDP blieb mit 7,6 Prozent und einem Minus von einem Prozent hinter ihren Erwartungen zurück. Sie 4 Sitze erobert. Die Grünen, ebenfalls 4 Sitze, zeigten sich mit 6,2 Prozent ungeachtet der Visa-Affäre um Bundes-Außenminister Joschka Fischer stabil. Sie hatten vor fünf Jahren das gleiche Ergebnis erreicht. Der SSW büßte 0,5 Prozent ein und kam auf 3,6 Prozent. Er ist als Minderheitenpartei von der Fünf-Prozent-Klausel befreit. Mit Erleichterung wurde indes das Abschneiden der rechtsextremen NPD aufgenommen. Sie verbesserte sich zwar um 0,9 Prozent, verpasste aber mit 1,9 Prozent der Stimmen klar den Einzug in das Landesparlament. Die Wahlbeteiligung mit 67 Prozent noch unter dem Tiefststand von 2000 (69,5%). Insgesamt waren 13 Parteien um die Stimmen von knapp 2,2 Millionen Wahlberechtigten.