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Die Dauerbrenner des U-Ausschusses

Von Daniel Bischof

Politik

Debatten um Leaks, den Vorsitzenden und Live-Übertragungen prägen den Ibiza-Untersuchungsausschuss. Ein Überblick.


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Die Einigkeit währte nur kurz. Zu Beginn der Pandemie schlossen sich Opposition und die türkis-grüne Bundesregierung für einen nationalen Schulterschluss zusammen. Ein gutes Jahr später stehen sich die Parteien unversöhnlicher denn je gegenüber. Und auch innerhalb der Koalition knirscht es.

Einen wesentlichen Anteil daran hat der Ibiza-U-Ausschuss. Er dominiert neben der Pandemie seit seinem Beginn im Juni 2020 Österreichs Innenpolitik. Konflikte um Akten, Leaks und den Vorsitzenden trübten die Stimmung zwischen den Parteien ein. Ein Überblick über die Streitpunkte.

Kein U-Ausschuss parallel zu Ermittlungen?

Parallel zum U-Ausschuss laufen zahlreiche Ermittlungsverfahren - darunter die Causa Casinos rund um einen mutmaßlichen Deal zwischen türkis-blauen Politikern und dem Glücksspielkonzern Novomatic. Das führt zu Überlappungen. Die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde zu einem Hauptthema des Ausschusses, Parteien treten als Fürsprecher oder Gegner der Behörde auf.

Cornelia Koller, Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, brachte die Idee in Spiel, U-Ausschüsse prinzipiell nicht parallel zu Ermittlungsverfahren laufen zu lassen. Dadurch könnte man verhindern, dass Ermittlungen beeinträchtigt werden, zudem würden die Staatsanwälte nicht so sehr im Mittelpunkt der Debatten stehen, so Koller. Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) unterstützte ihren Vorschlag.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger lehnte das ab. Denn dann würden aufgrund der langen Dauer von Strafverfahren überhaupt keine U-Ausschüsse mehr stattfinden, sagte sie am Dienstag. Meinl-Reisinger spricht von einem "Angriff aufs Parlament". Auch die Grünen und SPÖ sind dagegen. Für "zumindest diskussionswürdig" hält hingegen FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst den Vorstoß.

Inwieweit sich diese Debatte weiterzieht, hängt auch davon ab, womit sich der nächste U-Ausschuss befassen wird. Kommt es zu einem Ibiza-U-Ausschuss Teil zwei, wird sie weiter an Fahrt aufnehmen. Kommt ein Corona-U-Ausschuss, ergibt sich die Problematik der Parallelität kaum: Hier sind, bis auf die Causa Ischgl, bisher kaum Ermittlungen anhängig.

Die Debatte um die Wahrheitspflicht

Die Parallelität zwischen Strafverfahren und U-Ausschuss führte auch zu einer Debatte um die Entschlagungsrechte. Der Hintergrund: Ermittelt wird gegen mehrere Personen, die im Ausschuss als Auskunftsperson befragt wurden und sich der Aussage entschlugen.

Im U-Ausschuss stehen Auskunftspersonen nämlich unter Wahrheitspflicht, falsche Aussagen können mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Werden sie zu Themen befragt, welche die Ermittlungen gegen sie betreffen, müssten sie also die Wahrheit sagen und sich möglicherweise belasten. Daher haben sie im U-Ausschuss ein Entschlagungsrecht.

Seitens der SPÖ und den Neos wird beklagt, dass die Auskunftspersonen exzessiv von diesem Recht Gebrauch machen. Vertreter der ÖVP wiederum kokettierten damit, die Wahrheitspflicht abzuschaffen. Doch Chancen auf eine Umsetzung hat die Abschaffung nicht: Für eine Änderung braucht es eine Zweidrittelmehrheit, und alle Parteien außer der ÖVP lehnen den Vorschlag ab.

Neu sind solche Debatten jedenfalls nicht: Im Jahr 2012 entschlug sich der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly im Eurofighter U-Ausschuss zigfach der Aussage, da gegen ihn ermittelt wurde. Auch im Hypo-U-Ausschuss kam es mehrfach zu Entschlagungen.

Das Dilemma mit den Aktenleaks

Coups, Wendungen und Affären: Dafür sorgten meist nicht die Auskunftspersonen. Auslöser waren zumeist Akten aus Strafverfahren, vor allem Chatprotokolle, die an die Öffentlichkeit gespielt wurden. Wer dafür verantwortlich ist, ist umstritten, zumal oft auch eine Vielzahl an Personen Einsicht in die Strafakten hat. Mal werden Verfahrensbeteiligte wie Anwälte genannt, mal sollen es laut ÖVP die Staatsanwälte sein (was diese systematisch bestreiten), dann wird wiederum auf die Parteien im U-Ausschuss gezeigt.

Die undichten Stellen werden aber meist nicht gefunden. Ausnahmsweise wurde zuletzt bekannt, dass die Neos die Chats des suspendierten Sektionschefs Christian Pilnacek weitergegeben haben. Die ÖVP warf den Pinken "hinterhältige Politik" vor. Die Neos hingegen betonten, dass die Veröffentlichung im öffentlichen Interesse gewesen sei.

Könnte man bei der Strafprozessordnung nachschärfen, um Leaks künftig zu verhindern? "Das Hauptproblem sind undichte Stellen, die kann man durch eine Reform der Strafprozessordnung nicht schließen", sagt Strafrechtler Klaus Schwaighofer von der Uni Innsbruck gegenüber der "Wiener Zeitung". Denn am "Recht auf Akteneinsicht für Beschuldigte, Verteidiger, aber auch für Opfer und Privatbeteiligte" könne man nicht rütteln. Auch müssten der Beschuldigte und seine Verteidigung weiterhin das Recht haben, "im Interesse der Verteidigung an die Öffentlichkeit zu gehen".

Eine Nachschärfung bei den Sanktionen sei ebenfalls keine Lösung: "Das Redaktionsgeheimnis sorgt dafür, dass man den Täter, der seine Geheimhaltungspflicht verletzt hat, meist nicht herausfindet", sagt Schwaighofer. "War es der Beschuldigte oder eine andere Person, die akteneinsichtsberechtigt war? Oder gibt es eine undichte Stelle bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft, bei Gericht?", so der Strafrechtler.

Eine bessere Nachvollziehbarkeit bei den Zugriffen erhofft sich die Justiz durch den digitalen Akt. "Dort unterliegt jeder einzelne Aufruf eines Dokuments der Zugriffsprotokollierung und kann vom verfahrensführenden Entscheidungsorgan eingesehen werden", heißt es aus dem Ressort. Der digitale Akt sei bisher bei sechs Staatsanwaltschaften eingeführt worden, die Vorbereitungen "für den Start an weiteren acht Staatsanwaltschaften und Landesgerichten im Jahr 2021 laufen".

Die Rolle des Vorsitzenden

Ein Dauerbrenner des Ausschusses sind die Befangenheitsvorwürfe gegen den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka. Die Opposition sieht ein Naheverhältnis des ÖVP-Politikers zu Novomatic. Sobotka weist das zurück und betont, nicht befangen zu sein.

Ein Verfahren, um darüber zu urteilen, gibt es nicht. In der Jurisdiktionsnorm ist hingegen geregelt, wann ein Richter befangen ist und wer im Streitfall darüber zu entscheiden hat. Bei einem Richter eines Bezirksgerichts muss darüber etwa der Vorsteher des Bezirksgerichts entscheiden. Im U-Ausschuss existieren derartige Regeln nicht. Sobotka bleibt es selbst überlassen, ob er den Vorsitz behält oder abtritt.

U-Ausschuss mit Live-Übertragung?

Begleitet wird die Untersuchung von der Forderung, dass U-Ausschüsse künftig live im Fernsehen übertragen werden. Die Opposition und die Grünen pochen darauf. Im Fernsehen traue sich niemand, andauernd zu sagen, ich erinnere mich nicht, meinte etwa SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer.

Die ÖVP lehnte den Vorstoß zunächst ab. Denn dadurch würde der Ausschuss noch mehr zu einer Show verkommen, hieß es. Diese Haltung wurde aber aufgeweicht. ÖVP-Klubobmann August Wöginger zeigte sich im April dazu "gesprächsbereit".