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Die Debatte um Banknoten und Obergrenzen greift zu kurz

Von Harald Mahrer

Gastkommentare

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Bargeld ist derzeit ein Stück gedruckte Freiheit. Ob das gefällt oder nicht. Und Bargeld ist in Österreich noch immer das beliebteste Zahlungsmittel. Laut einer aktuellen Umfrage greifen 92 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher öfter zu Bargeld als zur Karte oder zu anderen elektronischen Zahlungsmitteln. Auch wenn der Einsatz elektronischer Zahlformen ohne Zweifel zunimmt, bleibt Bargeld unangefochten an erster Stelle.

Aber die Konzentration der Debatte auf Banknoten und Obergrenzen greift im Kern zu kurz. Es geht - bedingt durch die Entwicklungen der Digitalisierung - um eine Weiterentwicklung des Grundrechtekataloges, der in Österreich durch das Staatsgrundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention im Verfassungsrang steht. Die Debatte muss sich um das Sichern von Freiheitsrechten drehen, also konkret um die Wahlfreiheit und die Privatsphäre beim Bezahlen.

Man denke zum Beispiel rückblickend an die Entwicklung des Briefgeheimnisses als Grundrecht in Zeiten der sich verbreiternden Allgemeinbildung inklusive Grundkenntnissen im Bereich des Lesens und Schreibens und an das damit erstmals sich stark steigernde Briefaufkommen. Die staatlichen Autoritäten hatten als Antwort Zensurbehörden parat. Mühsam wurden dann Freiheitsrechte wie das Briefgeheimnis erkämpft.

Wenn sich also die Rahmenbedingungen heute ändern - und die Digitalisierung stellt gerade viele lieb gewonnenen Gewohnheiten oder Selbstverständlichkeiten auf den Kopf -, dann ist es nicht nur legitim, sondern unsere erste Bürgerpflicht, die bürgerlichen Freiheitsrechte zu bewahren und auch anzupassen beziehungsweise weiterzuentwickeln. Das Kaufverhalten unbescholtener Bürger zu erfassen, diese Daten auszuwerten und dann was auch immer damit zu machen, greift massiv in die Grundrechte ein. Wer will schon, dass immer mitregistriert wird, was man isst, trinkt, liest, welche Filme man sich ansieht usw. Derzeit sichert nur Bargeld die Anonymität und Wahlfreiheit. Alle andere Zahlungsformen hinterlassen Datenspuren.

Keine Beweise für Wirksamkeit von Abschaffung des 500ers

Und was die Debatte um den 500-Euro-Schein betrifft: Ich habe in einem Interview gesagt, dass ich die Begründung des französischen Finanzministers für die Abschaffung des 500ers, man wolle dadurch die Terrorismusfinanzierung reduzieren, als hanebüchene Argumentation empfinde. Es gibt keine Beweise für die Wirksamkeit solcher Maßnahmen. Ein Studium der Faktenlage zeigt dies. Vielmehr ist vollkommen klar: Die Terroristen steigen auf andere Währungen um, bezahlen in Diamanten oder machen ihre Finanzierungen über Scheinfirmen beziehungsweise Kapitalmarkttransaktionen.

Mich ärgert, dass 500 Millionen unbescholtene Europäer unter Generalverdacht gestellt werden. Das Ergebnis ist eine völlig unverhältnismäßige Einschränkung von Freiheitsrechten, begründet durch das in jüngster Zeit so oft bemühte Sicherheitsargument.

Was es auch zu bedenken gilt: Der 500er macht rund 28 Prozent des gesamten Euro-Bargeldwertes aus. Er wird natürlich nicht vom kleinen Mann verwendet, sondern von Banken und Organisationen weltweit als Bargeldreserve gehalten beziehungsweise weltweit bei größeren Transaktionen eingesetzt - gerade in Ländern, wo digitales Bezahlen kein Thema ist. Ich habe daher gemeint, lieber wäre mir eine Debatte über eine Stärkung des Euro als Weltwährung. Da würde eher ein 1000er helfen, als den 500er abzuschaffen.

Hier orientiere ich mich liebend gerne an der Schweiz und der Schweizer Notenbank. Der 1000-Franken-Schein wird auch als Währungs- und Bargeldreserve weltweit gehalten. Alle umlaufenden 1000-Franken-Scheine machen mehr als 60 Prozent (!) des gesamten Bargeldwertes des Schweizer Franken aus. Gut so, weil die Schweiz ja will, dass der Franken international eine Bedeutung hat. Für eine sachlich geführte Diskussion würde ich mir daher erwarten, nicht nur oberflächlich die Überschriften zu zitieren, sondern auch den Artikel dazu zu lesen, zu verstehen und größer zu denken.

Auf die Fragen von Negativverzinsungen und Ähnlichem bin ich noch gar nicht eingegangen. Aber Sie sehen, das Thema ist wesentlich komplexer und weitreichender, als es in Schlagzeilen abgebildet wird. Ich persönlich sorge mich, wie mit unseren Grundrechten umgegangen wird. Für diese werde ich mich auch in Zukunft einsetzen.

Harald Mahrer ist Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft.