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Die Debatte zählt, nicht die Erfahrung

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Politologin Rosenberger: Geringes Vertrauen in Union. | Erweiterungsfrage fällt auf EU zurück. | Wien. Je negativer die Debatte, umso schlechter die Meinung: Für Sieglinde Rosenberger hängt die Zustimmung zur EU in der Bevölkerung von der öffentlichen Diskussion ab. "Es ist nicht entscheidend, wie Europa erfahren wird, sondern wie der öffentliche Diskurs ist", erläutert die Leiterin des Wiener Instituts für Politikwissenschaft im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".


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Zwar gebe es große gruppenspezifische Unterschiede: Studierende etwa, die mobil sind, wissen Reisefreiheit zu schätzen. Doch bei den Eurobarometer-Umfragen wird dies nicht berücksichtigt. Und zusammen genommen sind die Österreicher alles andere als EU-euphorisch. Die Zustimmung zur Union ist europaweit die niedrigste.

"Bei der Bewertung von Europa ist die Vertrauenskategorie wichtig", sagt Rosenberger. "Doch die EU hat sich nicht als stark sondern als Schwächling dargestellt." Als Beispiele nennt die Politologin das Scheitern der Verfassungsreferenden in Frankreich und in den Niederlanden sowie die monatelangen Debatten über den Finanzrahmen der EU. Hinzu komme, dass die Union noch immer oft als reine Regulierungsbehörde angesehen werde und nicht als politischer Akteur.

Dass die Bundesregierung in Österreich sich mehr als andere Regierungen aus der Verantwortung für Europa zieht, glaubt Rosenberger nicht. Skeptischer als in anderen Staaten wird allerdings die Vergrößerung der Union betrachtet. "Die Frage der Erweiterung ist stark kulturalistisch bis xenophob gerahmt", stellt die Wissenschafterin fest. So wird ein möglicher EU-Beitritt der Türkei nicht mit wirtschaftlichen sondern kulturellen Argumenten debattiert.

"Die Erweiterungsdiskussion ist geprägt von der Angst vor dem Fremden", erklärt Rosenberger. Dieses Problem - stellvertretend für andere Fragen aufgeworfen - falle auf die Europäische Union zurück. Diese werde dann generell schlechter beurteilt.

Chance für Österreich

Die Übernahme der Ratspräsidentschaft sieht die Politologin aber als Chance für Österreich: "Durch den EU-Vorsitz besteht die Möglichkeit, das Gefühl gegenüber Europa positiv zu beeinflussen." Die Menschen könnten sich nun mehr mit Europa identifizieren, und die Regierung in Wien könne sich nicht so stark von in Brüssel gefallenen Entscheidungen distanzieren. Genau so wie die Politik den EU-Skeptizismus verursacht habe, könne sie diesem auch entgegenwirken, meint Rosenberger.