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Der erste Wahlkampf ohne Kanzlerduell versprach spannende Zeiten erst nach dem Wahlabend. Noch nie wurde es von Tag zu Tag unklarer, wer mit wem regieren will. Oder besser: Wer mit wem regieren kann, denn keine Partei lehnt eine Regierungszusammenarbeit mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz ab. Außer Peter Pilz. Im Grunde eine ideale Ausgangsposition für die ÖVP. Dennoch wird es nicht leicht, sich für einen Partner zu entscheiden. Für alle Varianten existieren gute Gründe und noch mehr Gegenargumente.
Dabei gilt es zwischen der persönlichen Ebene, der inhaltlichen Ebene und der strategischen Ebene zu unterscheiden. Wer wen sympathisch findet, spielt dabei wohl die geringste Rolle. Erstens wissen wir nicht, wer eine Woche nach der Wahl noch Parteichef ist. Zweitens können sich die Bürger zu Recht erwarten, dass persönliche Vorlieben nicht die Zukunft des Landes entscheiden.
Die strategische Ebene verliert an Bedeutung, weil längerfristige Planungen nicht nur in der Politik immer sinnloser erscheinen. Wer weiß schon, wann die nächste Wahl kommt? Bleibt die dritte, inhaltliche Ebene: Was können und müssen wir uns von der kommenden Bundesregierung erwarten? Ganz unabhängig davon, wer darin welche Posten einnimmt. Bildung, Pensionen, Steuern, Klimawandel sind alles Themen von höchster Priorität. Doch hier Maßnahmen vorzuschlagen, überlasse ich Expertinnen und Experten für Bildung, Pensionen, Steuerreformen und Klima. Die Welt retten können wir ohnehin nur gemeinsam.
Als Politikwissenschafterin will ich meinen Teil zur Rettung der Demokratie beitragen. Und die hat unter diesem Wahlkampf mehr gelitten als Umfrageergebnisse einzelner Parteien. Vertrauen ist das zentrale Geschäftsmodell politischer Eliten. Es wird schnell verspielt, aber nur mühsam zurückgewonnen nach Ibiza, Schredder-Gate, Spenden, Vereinskonstruktionen und Spesenkonten. Diese Rückholaktion können die Parteien nur gemeinsam starten. Beginnend mit der Erkenntnis, dass ein bewusst herbeigeführter Schaden alle trifft und nicht nur den politischen Mitbewerber.
Die nächste Regierung muss daher wieder politisch gestalten statt expertensicher verwalten und folgende Themen anpacken: Transparenz bei Parteifinanzen, abschreckende Sanktionen bei Überschreitung von Wahlkampfkosten, empfindliche Kürzungen der Parteigelder bei Umgehungskonstruktionen und alles garantiert durch glaubwürdige Kontrolle. Umfassende Transparenz braucht es zusätzlich bei Förderungen sowie bei der Vergabe von Staatsaufträgen oder beim Verkauf von öffentlichem Eigentum.
Der Umgang mit Transparenz braucht aber auch eine vitale und plurale Medienlandschaft sowie Bürgerinnen und Bürger, die Journalismus von Propaganda zu unterscheiden lernen.
Darüber hinaus gilt es, das Vertrauen in demokratische Verfahren zu stärken, etwa durch ein verständliches, praktikables und einheitliches Wahlgesetz. Bei allen weiteren Reformen muss ein Aspekt im Vordergrund stehen: Gerechtigkeit. Denn stabile Demokratien beruhen auf dem Gefühl, in einem gerechten Land zu leben.