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Die Demontage eines Weltkulturerbes

Von Christian Schuhböck

Gastkommentare

Die Semmeringbahn wurde von der Unesco 1998 als Weltkulturerbe anerkannt. Der geplante Basistunnel droht aber diesen Status zu zerstören.


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1995 nominierte Österreich die Semmeringbahn und ihre umgebenden Kulturlandschaft als Unesco-Welterbe und pries sie in der diesbezüglichen Dokumentation als "Gesamtkunstwerk" zwischen Natur, Kultur und Technik. 1998 zum Welterbe erklärt, hatte aber ihre scheibchenweise Demontage bereits begonnen.

Denn 1997 gab das Bundesdenkmalamt jenen Bescheid heraus, der die Semmering-Bahn zwischen Kilometer 75,65 und 114,82 unter Denkmalschutz stellt - und die Bahnhöfe Mürzzuschlag und Gloggnitz ausspart. Ein Schelm, der denkt, es stecke Absicht dahinter, um Abzweigungen für den geplanten Semmering-Basistunnel knapp hinter Gloggnitz und kurz vor Mürzzuschlag doch noch irgendwann einmal zu ermöglichen. Ob die Unesco über diese kaum wahrnehmbare Weichenstellung informiert wurde, bleibt dahingestellt. Auch ist fraglich, ob die Unesco von der Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes Stuhleck-Pretul Kenntnis erlangt hat. Denn per Verordnung vom 26. März 2007 wurde es auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Fläche verkleinert, und zwar dort, wo der Basistunnel verlaufen soll. Inwieweit einem Welterbe-Gebiet der nationale Schutz entzogen werden kann, ohne eine der Grundvoraussetzungen für den Welterbe-Status zu verletzen, wäre noch zu prüfen.

Den Gipfel des frivolen Umgangs mit dem Weltkulturerbe Semmeringbahn bildet ein Managementplan im Auftrag des "Vereins Freunde der Semmering-Bahn", der nur noch die Bahntrasse und den Lokschuppen in Mürzzuschlag als Kernzone mit einer Fläche von gerade einmal 156 Hektar ausweist, während er die seinerzeit so gepriesene Kulturlandschaft von mehr als 8580 Hektar zur Pufferzone degradiert.

Abgesehen davon, dass der Managementplan falsche Behauptungen aufweist, führt er als eine der ersten Maßnahmen zur Erhaltung des Welterbes das Bauvorhaben Semmering-Basistunnel an. Dies steht aber in krassem Widerspruch zur Unesco-Welterbe-Konvention, die mit dem Ziel beschlossen wurde, außergewöhnliche Kultur- und Naturgüter vor Beeinträchtigungen zu schützen.

Im Managementplan steht auch nichts darüber, welche 15a-Vereinbarungen zur Erhaltung der Semmering-Bahn und ihrer umgebenden Kulturlandschaft geschlossen wurden und wie das Welterbe-Gebiet vor den großtechnischen Eingriffen durch den Semmering-Basistunnel geschützt werden soll, die unter anderem dauernde Bergwasserausleitungen von bis zu 38 Millionen Liter Wasser pro Tag vorsehen.

Bernd von Droste zu Hülshoff, Gründungsdirektor des Unesco-Welterbe-Zentrums, sagt dazu: "Sollte die Semmeringbahn tatsächlich einmal durch einen Basistunnel ersetzt werden, könnte dies zur Stilllegung und schlimmstenfalls zum Verfall dieser bedeutenden Gebirgs- und Landschaftsbahn führen. Eine Eintragung in die Rote Liste des gefährdeten Welterbes wäre die Folge."

Christian Schuhböck ist Landschaftsökologe und Träger des österreichischen Staatspreises

für Umweltschutz. (Buchtipps: "Österreichs Welterbe", Verlag Brandstätter; "Weltkulturerbe Semmeringbahn", Kral-Verlag) .