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Die Deutsche Bahn und die Lokführer: Ums Geld geht es nur vordergründig

Von Markus Kauffmann

Analysen

Berauschend ist das Anfangsgehalt eines Lokführers nicht: 1.970 Euro monatlich brutto. 31 Prozent mehr - das wären rund 610 Euro im Monat - verlangt ihre Gewerkschaft, genauer: die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), eine von insgesamt drei Bahngewerkschaften. Sie vertritt nach eigenen Angaben zwei Drittel der insgesamt 20.000 "Triebfahrzeugführer" und außerdem noch rund 6600 Zugbegleiter. Sie haben mit 1870 Euro ein noch niedrigeres Einstiegsgehalt. Die Viertelmillion, die Bahnchef Hartmut Mehdorn (65) monatlich einstreift, dient hier nur der Illustration.


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Der von Gerhard Schröder eingesetzte Super-Manager, dessen Vertrag an der Spitze des Bahnkonzerns um weitere vier Jahre bis 2011 verlängert wurde, ist jedoch nicht bereit, der GDL einen Lohnsprung von rund einem Drittel zuzugestehen. Sein um ein Jahr jüngerer Gegenspieler, Manfred Schell, der für die CDU einst im Bundestag saß, hat jedoch den Machtkampf aufgenommen.

Mehdorn und Schell bieten der deutschen Öffentlichkeit nun das traurige Schauspiel eines bereits acht Monate schwelenden Tarifkonflikts. Die seit Juli wiederkehrenden Streiks richteten allein für die Bahn bereits 160 Millionen Euro Schaden an. Wie stark die Volkswirtschaft insgesamt betroffen ist, kann nur geschätzt werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung geht von Ausfällen für die Wirtschaft von rund hundert Millionen Euro pro Streiktag aus.

Dabei geht es nur vordergründig ums Geld. Hier haben beide Seiten schon signalisiert, dass ein Abschluss zwischen 10 und 15 Prozent Erhöhung denkbar wäre. Des Pudels Kern ist vielmehr die Forderung der Lokführer nach einem völlig eigenen, selbständigen Tarifvertrag. Sie lehnen das Angebot der Bahn ab, im Rahmen eines einheitlichen Tarifvertrages für alle Bahnbediensteten Sonderregelungen für Lokführer einzuräumen. In der Tat würde die Gewerkschaftsforderung zu einem Zweiklassensystem innerhalb des Bahnpersonals führen; zudem wäre die Deutsche Bahn dann leichter erpressbar. Empört weist sie darauf hin, dass die GDL mit der privaten Konkurrenz weitaus bescheidenere Abschlüsse getroffen habe.

Gewerkschaftsintern versuchen GDL und Transnet gegenseitig, einander Mitglieder abzuwerben. Seitens der Bahn will man unbedingt "vor-thatcherische" Verhältnisse verhindern, die in ein- und demselben Unternehmen mehrere Tarifverträge erzwingen würden. Das erklärt die Hartnäckigkeit auf beiden Seiten.

Die Gemengelage wird noch komplexer, sieht man den Streit vor dem Hintergrund der geplanten Bahnreform, deren Ziel die Schaffung eines funktionierenden Verkehrsmarktes ist, sprich: Die Öffnung des gesamten Schienennetzes für private Anbieter, die Privatisierung der bisherigen Staatsbahn sowie die Europäisierung der Bahn-Konzerne. Seite 6