Zum Hauptinhalt springen

Die Diamanten bluten noch immer

Von Ronald Schönhuber

Politik
In den Minen Simbabwes kontrolliert das Militär den Abbau mit eiserner Faust. Foto: ap

Blutdiamanten finanzieren nach wie vor Diktatoren und Warlords. | Vorwürfe gegen Simbabwe und Kongo. | Wien. Für die Diamantenbranche war es wie ein Gespenst aus der Vergangenheit. 2006 hetzte Leonardo di Caprio schwitzend durch den Busch von Sierra Leone, verfolgt von den schwerbewaffneten Rebellen der RUF und konkurrierenden Diamantschmugglern und immer auf der Suche nach dem einen Stein, der wertvoll genug war, um das alte, verkorkste Leben ein für alle mal hinter sich lassen zu können. | Charles Taylor - Freibeuter und Kriegsherr | Naomi Campbell - Topmodel im Zeugenstand


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der in den bürgerkriegsgeplagten 1990er Jahren angesiedelte Film "Blood Diamond" war aber nicht bloß ein Afrika-Abenteuer in konventioneller Hollywood-Machart, sondern illustrierte mit durchaus drastischen Bildern, unter welch menschenverachtenden Bedingungen Sklavenarbeiter nach jenen Edelsteinen schürfen mussten, die dann Bürgerkriege, korrupte Diktatoren und Waffenkäufe von Rebellengruppen finanzierten.

Und damit war - genauso wie jetzt beim Prozess gegen Liberias Ex-Diktator Charles Taylor - plötzlich wieder ein Thema auf dem Tapet, das die Diamantenindustrie eigentlich schon überwunden glaubte. Denn nachdem die auch mit Blutdiamanten finanzierten Konflikte in Sierra Leone, Angola, Liberia und im Kongo Millionen Menschen das Leben gekostet hatten, entschloss sich die Branche im Jahr 2000 ein System aufzubauen, das den Schmuggel von Rohdiamanten zur Kriegsfinanzierung unterbinden sollte. 2003 trat das nach der südafrikanischen Diamantengräberstadt benannte Kimberley-Abkommen in Kraft, 75 Länder haben die freiwillige Vereinbarung, die vor allem auf Herkunftszertifikate setzt, mittlerweile unterzeichnet. Und laut De Beers, dem südafrikanischen Weltmarkführer in Sachen Diamanten, unterliegen bereits 99 Prozent der globalen Produktion den Richtlinien, die im Rahmen des Kimberley-Prozesses etabliert wurden. 2000 sollen es erst 96 Prozent gewesen sein.

Mugabe dick im Geschäft

Doch für den Optimismus der Branche, die laut aufschrie und sich ungerecht behandelt fühlte als "Blood Diamond" in die Kinos kam, scheint es verfrüht. Denn es zeigt sich immer stärker, dass die Reformen, die oft keinem unabhängigen Überwachungsmechanismus unterworfen sind, nur bedingt gegriffen haben. So hat der Handel mit Blutdiamanten laut der Menschenrechtsorganisation Global Witness in den vergangenen drei Jahren wieder zugenommen. Und auch die UNO stellte 2009 fest, dass trotz verschärfter Kontrollen nach wie vor große Mengen an Diamanten aus afrikanischen Krisengebieten über Israel auf den Weltmarkt gelangen. Hinzu kommt, dass die Diamanten oft eine lange Odyssee hinter sich haben, bevor sie auf einer Diamantenbörse wie etwa Antwerpen landen. Das mache es schwierig zu kontrollieren, ob die Zertifikate nicht gefälscht sind, sagt Anne Jung von der seit Jahren mit dem Thema befassten Menschrechtsorganisation Medico.

Als eine der ergiebigsten Quellen für illegal abgebaute Diamanten gilt neben der Elfenbeinküste bis heute die Kongo-Region. Hier ist nach Erkenntnissen der UNO, der USA und der Europäischen Union vor allem Simbabwes Machthaber Robert Mugabe dick im Geschäft. Gemeinsam mit seinen Anhängern soll er seit Jahren mit Konfliktdiamanten handeln, um damit jene Einnahmeverluste auszugleichen, die durch das über Simbabwe verhängte Embargo entstanden sind.

Doch auch im eigenen Land lässt Mugabe unter menschenverachtenden Bedingungen nach teuren Steinen schürfen. Ein 2009 von Human Rights Watch veröffentlicher Bericht dokumentiert, dass das Militär in den Minen von Marange ein Massaker an 200 Menschen verübt hat und für Zwangsarbeit und Vergewaltigungen verantwortlich ist. Die in Marange abgebauten Diamanten dürfen seit kurzem aber dennoch wieder in begrenztem Umfang mit Kimberley-Zertifikaten gehandelt werden. Möglich ist das, weil in der Kimberley-Charta Blutdiamanten nur im Zusammenhang mit Rebellen erwähnt werden, die mit den Erlösen Kriege gegen legitime Regierungen finanzieren. Die 2007 vom Kimberley-Prozess-Vorsitzenden Karel Kovanda getroffene Aussage, dass es nach dem Beitritt des Kongos nur noch in der Elfenbeinküste Probleme gebe, erscheint damit zumindest als eines: überholungsbedürftig.