In Europa wurden im Vorjahr 160.000 Erfindungen zum Patent angemeldet - Österreich liegt bei Zahl der Anmeldungen auf Platz 9.
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München/Wien. Beim Europäischen Patentamt (EPA) wurden 2016 insgesamt 159.353 Patentanmeldungen eingereicht. "Damit erreichte die Zahl der Anmeldungen nahezu das Niveau des Rekordjahres 2015", betont das EPA in seinem Jahresbericht 2016, der am Dienstag in München präsentiert wurde: "Dies bestätigt den positiven Trend der vergangenen fünf Jahre", so die Behörden, die eine "Konsolidierung" sehen.
Ein Viertel der Anmeldungen (40.076) kam aus den USA, ein Siebentel (25.086) aus Deutschland, dahinter Japan, Frankreich und die Schweiz. China verzeichnete unter den Patentanmeldern mit knapp 25 Prozent auf 7125 das stärkste Wachstum.
Hohe Innovationskraft
Etwa die Hälfte der Anmeldungen stammt aus den 38 EPA-Mitgliedsstaaten, wobei in der Riege der größeren europäischen Volkswirtschaften die stärksten Zunahmen aus Belgien mit plus 7 Prozent und Italien mit plus 4,5 Prozent kamen. Im Gegensatz dazu sind Patentanmeldungen aus Frankreich um 2,5 und aus den Niederlanden um 3,6 Prozent gesunken. Noch in den Vorjahren gab es aus diesen Ländern Zuwächse.
Aus Österreich wurden am Europäischen Patentamt 2040 Patente angemeldet, das entspricht einem Zuwachs von 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unser Land liegt damit weltweit auf Platz 13 und unter den europäischen Staaten auf Platz 9. "Interessant ist die Patent-Dichte, das ist die Zahl der Patentanmeldungen pro Million Einwohner. Mit 234 ist Österreich dabei an 7. Stelle aller Staaten, die beim EPA Patente eingereicht haben, und das spiegelt die hohe Innovationskraft des Landes und der Volkswirtschaft", sagt EPA-Sprecher Rainer Osterwald im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Zwar sei Österreich noch weit vom Spitzenland Schweiz mit 892 Einreichungen pro Million Einwohner entfernt. Dennoch ist es fast doppelt so aktiv wie der EU-Schnitt, der bei 122 liegt.
Erfinderische kleine Firmen
Der größte österreichische Anmelder bleibt Borealis. Der Wiener Kunststoffhersteller zählt zu den Marktführern der Petrochemie. Borealis erzeugt Polyethylen und Polypropylen für Rohrsysteme, Energie- und Kommunikationskabel, Automobile und Verpackungen sowie Basischemikalien für medizinische Utensilien, Windeln, Kabel und Autoteile. 2016 meldete das Unternehmen 151 Erfindungen zum Patent an. Dahinter folgten Zumtobel, Tridonic und Austriamicrosystems mit jeweils 50 bis 60 Patentanmeldungen.
International hat der weltgrößte Elektronikkonzern Philips die meisten Patente angemeldet: Mit 2568 sind es mehr als alle österreichischen Firmen zusammen. Das Gleiche gilt für Huawei, Samsung, LG und United Technologies, die auf den Plätzen folgen. 34 Prozent der europäischen Patentanmelder stammen aus dem Segment Klein- und Mittelbetreibe, Forschungsinstitute, Universitäten und Einzelerfinder.
Alle der zehn stärksten Anmeldegebiete (siehe Grafik) liegen im Bereich digitale Lösungen. "Das Ranking der Erfindungen wird davon geprägt, dass die Digitalisierung voranschreitet", sagt EPA-Kommunikationschefin Jana Mittermaier. Führend sind Anmeldungen in Medizintechnologien, digitaler Kommunikation und Computertechnologien. "Die Top-10 spiegeln die technologischen Entwicklungen wider. Informations- und Kommunikationstechnologien sind seit etwa fünf Jahren in den vorderen Rängen", so Mittermaier. Die Einsatzgebiete reichen von Smartphones, Tablets und Computer über softwaregestützte Lösungen für Autos und computergesteuerte Bildgebung in der Medizintechnik bis hin zu Sensoren für praktisch alle Haushaltsgeräte. "Auch Fahrer-Assistenzsysteme und Hybridsteuerungen werden immer wichtiger", sagt Osterwald. Und staatliche Förder-Initiativen, wie etwa in Österreich zu autonomen Autos oder Smart Cities, oder Gesetzesvorgaben zum Klima "spiegeln sich ganz klar in Patenanmeldungen".
International haben Anmeldungen aus China den deutlichsten Zuwachs beim EPA. Erst Mitte der 1990er hat das Reich der Mitte angefangen, sich von einem reinen Produktionsstandort zu einem Innovationsstandort zu entwickeln. Seine Industriepolitik zielt darauf ab, von eigenen Erfindungen zu leben. "Im Hochtechnologiebereich wird eine bewusste Strategie gefahren, in der das Patent nach europäischem Vorbild als Mittel zum Wettbewerb gesehen wird. China ist zum Land der Erfindungen geworden", sagt Osterwald, räumt jedoch ein: "Die 38 Staaten der europäischen Patenorganisationen exportieren 2015 immer noch 35.400 Patenanmeldungen nach China, während die Chinesen 5700 Anmeldungen beim EPA einreichten."
Das Europäische Patentamt hat im Vorjahr rund 96.000 Patente erteilt. An österreichische Firmen gingen 1370 Patente.
Baldiges Patent für Gen-Schere
In der Warteschleife hängen unter anderem die Universität Wien und die University of California in Berkely (UCLA) für die Erfindung der Gen-Schere Crispr/Cas9, mit der das Erbgut aller Organismen gezielt, schnell und günstig verändert werden kann. Die Hoffnung sind neue Therapien gegen Erbkrankheiten. In einem langjährigen Patentstreit hatte jüngst aber ein anderes Team Patente für Anwendungen von Crispr/Cas9 erhalten und die Erfinder um die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier gingen leer aus.
"Es ist eine wirtschaftlich interessante Anmeldung. Wegen der Anfechtungen gegen bereits erteilte Patente ist nicht klar, in welchem Ausmaß diese aufrecht bleiben", erklärt Osterwald: "Das letzte Wort ist nicht gesprochen, zumal die Anmeldung der UCLA ebenfalls kurz vor der Patenterteilung steht." Fünf bis zehn Prozent der EPA-Patente würden angefochten. Am heftigsten gestritten würde im Gesundheitsbereich.