Zum Hauptinhalt springen

Die Diktatur der Demokraten

Von Werner Stanzl

Gastkommentare

Das Gedenken an die NS-Opfer in der Hofburg als Gala der Regierungsgegner aus Opposition, NGOs, Migrationsbejahern und anderen guten Gesellen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Streng genommen wurde der Literat Michael Köhlmeier in der Hofburg nicht bloß als Opinionleader, sondern als Opinionkiller gefeiert. In der Diktion von Johann Wolfgang von Goethes Poeten beim Lamento vor Zeus demaskierte er Meinungskonkurrenten als das Böse schlechthin. In kleinen Schritten rücke es an. "Erst wird gesagt, dann wird getan." Dem Anlass folgend, Gedenken an die NS-Opfer, muss man fragen: "Was getan?" Unterstellt er "dieser Partei, die ein Teil unserer Regierung ist", die Vorbereitung eines neuen Holocausts? Jedenfalls hat der Literat in den Raum gestellt, was sein Publikum und die Mehrzahl der etablierten Medien von ihm hören wollten. Den stürmischen Applaus für die Diktatur der Demokraten ließ der ORF nicht unerwähnt.

Köhlmeier widmete sich beiden Regierungsparteien. Die FPÖ bezichtigte er des Antisemitismus, die ÖVP setzte er ob der verschlossenen Ankunftswege für Migranten mit Gulag-Kommunisten und KZ-Faschisten gleich ("Menschen . . ., die sich damit brüsten, Fluchtrouten geschlossen zu haben"). Die Antisemiten festzumachen, wähnte Köhlmeier als leichtes Spiel. Man nehme die FPÖ-Funktionäre, deren Sympathisanten und all jene verdächtigen Typen, die sie unter Umständen gewählt haben könnten. In den gleichen Sack werfe man den/die Fluchtwegverdichter von der ÖVP und über die Bande jene, die sich erfrechen, Angst zu haben, das Boot könnte kippen.

Von Untaten ablenken

Leider verraten uns Köhlmeier und seinen Applaudierer nicht, wie sie nach der Jagd auf das Böse ihre Beute neutralisieren wollen. 1945, zur Gründung dieser Zweiten Republik, war es so: Die rund 700.000 eingetragenen NSDAP-Mitglieder sollten nach dem Willen des Zentralsekretariats der SPÖ in den sibirischen Gulag. Schließlich bevorzugte man dann doch Sondergerichte (Volksgericht), Sühneabgaben und Wahlrechtsverweigerungen (bis 1947).

Dass das "Haltet den Dieb!" den Antisemitismus nicht ausrotten würde, lag auf der Hand. Denn den Staatsgründern der Zweiten Republik lag zuvorderst daran, von den Untaten ihres Lagers abzulenken. Was gerne unerwähnt bleibt: Die Christlichsozialen der Ersten Republik mussten nicht nur als ÖVP antreten, weil Arbeiterblut an ihnen klebte, sondern auch, weil in ihrem Programm nachzulesen war: "Als national gesinnte Partei bekämpft sie die Übermacht des zersetzenden jüdischen Einflusses." ("Österreichische Parteiprogramme 1868-1966", Klaus Berchtold, Uni Wien 1967)

Antisemitismus breit gestreut

Bemerkenswert auch die Ausfälle der SPÖ: 1935 schmähte sie Adolf Hitler dafür, noch nicht einmal die Enteignung der jüdischen Unternehmer und Bankiers vorangebracht zu haben. "Die Kapitalisten, selbst die jüdischen, sind immer noch Herren ihrer Banken, ihrer Handelshäuser . . ." ("Arbeiter-Zeitung", Zentralorgan der österreichischen Sozialdemokratie, 15. Juli 1935).

Und da meint Köhlmeier, den Antisemitismus mit Schuldzuweisungen gegen einen Johann Gudenus und Genossen dingfest machen zu können. Schön wär’s. Die Geschichte und Stammtischgespräche aber zeigen, dass sich der Antisemitismus in Österreich wie der Blutregen aus der Sahara verteilt. In den alpinen Tälern sickert der Sand besonders gern nieder, und in den Ebenen des Burgenlandes wirft er Dünen auf. Mit ihren Anmaßungen, Phobieattesten und Selbstgerechtigkeiten werden die Diktatoren der Demokratie die Letzten sein, die daran etwas ändern könnten.

Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.