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Die Domino-Revolution

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Hosni Mubaraks Schlägertrupps haben am Mittwoch versucht, Kairo mit Gewalt zu überziehen. Dem Regime wird dies recht sein, denn es könnte ihm erlauben, hart durchzugreifen und die Demonstrationen blutig zu unterdrücken. Wie sehr der alte, kranke Mubarak dabei noch die Zügel in der Hand hält, ist unbekannt. .


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Als bekannt darf hingegen gelten, dass sich die Revolution dadurch nicht stoppen lassen wird. Mubarak ist noch an der Macht, doch bereits Geschichte

Europa und die USA sollten daher ihre vorsichtige Wortwahl aufgeben und sich eindeutig an die Seite der protestierenden arabischen Jugend stellen. Diese will Perspektiven haben, Chancen. Die Muslimbruderschaft gewinnt eindeutig an Boden, das kann weder im Interesse der Amerikaner noch Israels sein.

Denn die demonstrierenden Araber vertreten keine politische Botschaft, sie wollen nur in Frieden und Freiheit leben. "We want internet" stand auf einem Plakat. Das hört sich nicht gerade nach Menschen an, die sich aufmachen, einen Gottesstaat zu errichten.

Tunesien stand am Beginn, doch wenn der Übergang in Ägypten gut funktioniert, kann das eine ungeheure Beispielwirkung entfalten. In Jemen, Jordanien und Marokko regt sich Widerstand, treten Regierungen ab, werden Reformen versprochen. Endgültig ans Eingemachte geht es aber, wenn die Proteste Saudi-Arabien und den Iran erreichen sollten. Gründe dafür gäbe es genug. Für die USA wäre das vermutlich ein außenpolitischer Alptraum. Die Saudis werden gepflegt, der Iran ist der Feind. Wie im Kalten Krieg ist es politisch auch ganz angenehm, wenn die Rollen zwischen Gut und Böse klar verteilt sind.

Dass sich die westliche Welt diese Rollenverteilung aber noch länger aussuchen kann, ist wenig wahrscheinlich. Ägypten zeigt, dass das außenpolitische Primat der "Stabilität" immer weniger funktioniert. Die Völker rufen nach Freiheit. Jugendliche in Alexandria hätten gerne ihre eigene Stabilität. Was das US-Außenministerium darunter versteht, ist ihnen herzlich egal.

Washington, Brüssel, aber auch Israels Regierung sollten es daher mit Risiko versuchen. Sonst tun es extreme islamistische Kräfte.