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Die Dosis macht’s

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Eine bestimmte Arznei oder ein bestimmtes Gift kann in definierten Mengen förderlich wirken, in höheren Konzentrationen aber zum Tod führen. Die Frage der Dosierung ist in der Heilmittel-Kunde schon recht entwickelt, in der Geldpolitik wird noch nach Antworten gesucht.

Die Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi, die Märkte mit bis zu 1140 Milliarden Euro zu fluten (oder darüber hinaus, wenn es notwendig sei), war zum Zeitpunkt der Ankündigung goldrichtig.

Nun will die Inflation aber nicht anspringen, und Draghi versucht es erneut: Man könne noch mehr machen. Ob das noch gesund sein kann, wird indes von immer mehr Finanzexperten bezweifelt.

Die lang anhaltende Niedrigzins-Politik ruiniert das Geschäftsmodell der Banken, die ja eigentlich vom Zinsüberschuss leben sollten. Gleichzeitig wird den Banken ein Regelwerk vorgesetzt mit höheren Kapitalquoten und verschärften Kapitalunterlegungen für Finanzgeschäfte.

Besser wäre es wohl gewesen, einzelne Geschäfte zu verbieten, denn geholfen haben diese Regeln bisher wenig. Das weltweite Volumen an sogenannten Spekulationsgeschäften ist höher als vor der Krise, die bei den Banken 2007 begann.

Durch diese Regeln wird die Bereitschaft der Banken, Kredite zu vergeben, deutlich reduziert. Das wiederum drückt das Wirtschaftswachstum. Und ohne Wachstum - erraten - keine Inflation. Solange die Nachfrage so flau ist, werden die Preise nicht steigen.

Mit Ausnahme der Immobilienpreise, denn Wohnungen, Häuser und Gewerbeliegenschaften sind mittlerweile als Veranlagung begehrt wie nie: Die Renditen sind einfach höher als bei Finanzprodukten.

Bis zu einem gewissen Grad ist dies zu verschmerzen, wie es ebenso bis zu einem gewissen verschmerzbar ist, praktisch keine Zinsen auf Sparguthaben zu bekommen.

Irgendwann aber kommt dieses System an einen Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht. Die niedrigen Zinsen und die Euro-Schwäche beflügeln die deutsche Industrie, das Wachstum Deutschlands schaut ordentlich aus. Doch Deutschland denkt nicht daran, diesen Wohlstandsgewinn mit den anderen Euroländern zu teilen - es gibt auch keinen Mechanismus dazu.

Draghi muss sich fragen, wann die europäische Wirtschaft an einer Überdosis Schaden nimmt.