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Die Drei-Milliarden-Baustelle

Von Clemens Neuhold und Brigitte Pechar

Politik
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Wenige Baustellen in Österreich ohne Wohnbauförderung. Jetzt, wo die Mietpreise rasant steigen und ein Engpass an Neubauten droht, wird die Förderung selbst zur Baustelle. Sie soll effizienter werden.

Bis 2015 könnte Wohnbauförderung alt restauriert werden - mit wenig Effekt.


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Wien. Die heimische Innenpolitik ist derzeit eine Baustelle. Eifrig am Werk sind - vom ehemaligen Wohnbaustadtrat und heutigen Bundeskanzler Werner Faymann über Vizekanzler Michael Spindelegger bis zu den Landeshauptleuten - alle, die etwas zum Thema Wohnen zu sagen haben.

Es geht um die Sanierung eines 1954 errichteten Gebäudes namens Wohnbauförderung. Seither stecken die Steuerzahler in Form des Wohnbauförderbeitrags (0,5 Prozent vom Lohn) und anderer Steueranteile jährlich rund 2,5 Milliarden Euro vorne hinein. Dann kommen die neun Länder und holen sich ihren Anteil, um ihre Bürger mit billigen Wohnkrediten oder günstigen Wohnungen zu versorgen. Der niederösterreichische Häuslbauer bekommt seinen Nullzins-Kredit, der Wiener seine Gemeindebauwohnung.

Laissez-faire

So weit so sinnvoll - bis 2008. Seit diesem Jahr können sich die Länder das Geld zwar weiter abholen, sie können aber damit tun, was sie wollen - Kreisverkehre bauen, Schulden zurückzahlen oder, wie in Niederösterreich geschehen, damit ins Finanz-Casino auf den Cayman Islands gehen.

Ob das Gebäude einstürzt oder nicht, liegt in der Laune der Länder; die tragenden Säulen sind entfernt. Jetzt sollen sie wieder eingezogen werden - mit einer erneuten Zweckwidmung der Wohnbauförderung.

Die Länder wären wieder verpflichtet, das Steuer-Geld aus dem Wohnbauhäusl für die Häuslbauer auszugeben. Der Normalzustand nach einer Phase des föderalistischen Laissez-faire wäre wieder hergestellt.

Gefordert wird die Rückkehr zum Normalzustand schon länger. Wegen der aktuell galoppierenden Mietpreise und der Wahlen im Herbst krempelt die Regierung aber nun die Ärmel auf. Eine gute Nachricht für die Transparenz im Steuerwesen.

Bau-Boom? Fehlanzeige

Die schlechte Nachricht: Die geplagten Mieter werden nur wenig davon spüren. Wie ein Blick auf die Entwicklung der Wohnbauförderung zeigt, stieg die Wohnbauförderung nach Ende der Zweckwidmung 2008 von 2,6 Milliarden Euro sogar noch an, auch 2012 dürfte sie darüber liegen. Umkehrschluss: Den großen Bau-Boom wird die neuerliche Zweckwidmung nicht auslösen.

Was sie sehr wohl bringt, ist Sicherheit, dass mit den Geldern nicht mehr spekuliert wird und der Steuerzahler das bekommt, wofür er zahlt, nämlich den Wohnbauförderbeitrag.

Politisch hat die Arbeit auf der Groß-Baustelle erst begonnen. Die SPÖ fordert die Zweckwidmung schon länger. Nachdem nun auch ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger bekundet hat, die Wohnbau-Mittel wieder zweckheiligen zu wollen, liegt der Ball bei den Bundesländern. Die sind es seit 2008 nicht mehr gewohnt sind, dass ihnen bei der Vergabe der Fördermilliarden jemand dreinredet und stehen entsprechend auf der Bremse.

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer meinte am Freitag, die Maßnahme könne frühestens im nächsten Finanzausgleich 2015 - das ist die Aufteilung der Bundessteuern auf die Bundesländer - erfolgen. Außerdem brauche es einen finanziellen Ausgleich des Bundes, sprich: mehr Geld. Zuständig für Wohnbauförderung ist in Oberösterreich Landesrat Manfred Haimbuchner (FPÖ), der eine Zweckbindung ebenfalls begrüßt. 288 Millionen Euro betrage das Wohnbauförderungsbudget Oberösterreichs, allerdings gingen davon 80 Millionen Euro in die Wohnbeihilfe. Bei einer Zweckbindung müsste das Sozialreferat von Josef Ackerl (SPÖ) die Kosten übernehmen, hieß es aus dessen Büro.

Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Markus Wallner aus Vorarlberg, erinnerte in den "Oberösterreichischen Nachrichten" daran, dass die Bindung auch deshalb aufgehoben worden sei, um Geld in andere "wichtige Bereiche wie Klimaschutz" fließen zu lassen. Wer eingreife, werde mit den Ländern verhandeln müssen. Parteichef Michael Spindelegger reagierte und will nun erst 2015 handeln.

"Grundsätzlich überhaupt kein Problem" hätte mit der Zweckbindung Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll. Das Land gebe ohnehin mehr für Wohnbau aus, als man hereinbekomme, nämlich 500 Millionen Euro. Man gehe offen in die Verhandlungen zum Finanzausgleich und sei für jede faire Lösung zu haben, sagte Finanzreferent Wolfgang Sobotka zur "Wiener Zeitung".

Auch Oberösterreich und die Steiermark haben ihre Wohnbaudarlehen verkauft. So hat die Steiermark zwar 400 Millionen Euro für die Wohnbauförderung im Budget, tatsächlich werden aber nur 70 Millionen für Neubau ausgegeben, der Rest geht als Rückzahlung an die Banken. Bei einer Zweckbindung erhalte das Land vielleicht nur 250 Millionen Euro für den Wohnbau, sagte Gehard Ullmann, Hofrat im Wohnbauförderungs-Referat. Damit könnten nicht einmal die Verpflichtungen abgedeckt werden - es gäbe kein frisches Geld für den Wohnbau. Daher könnte eine Zweckwidmung nur für neue Förderungen gelten, sagte Ullmann.

Was wirkt?

Noch wichtiger als die Wohnbauförderung sind Spindelegger die Pensionskassen. Ihnen soll erlaubt werden, bis zu zehn Prozent ihres Kapitals in den gemeinnützigen Wohnbau zu investieren. Das soll Neubauten begünstigen. Die Grünen wollen auf einem Mietgipfel das Mietrecht ändern und Aufschläge deckeln.