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Die drei Schiffe in den Tod

Von Bernd Vasari

Wissen
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Warum die Weiterfahrt verhindert wurde, weiß man bis heute nicht.
© Yad Veshem

Autor kritisiert Wahlverhalten der heimischen serbischen Community.


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Wien. Viele Länder Europas schlossen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge. Um dem Nazi-Regime dennoch zu entkommen, versuchten viele Juden über die Donau in das britische Mandatsgebiet Palästina zu flüchten. Den meisten der mehr als 60.000 Österreichern, Deutschen und Tschechoslowaken gelang auch die Flucht. Drei Schiffen mit 1200 Passagieren wurde aber die Weiterfahrt an der serbisch-rumänischen Grenzstadt Kladovo verweigert.

Das Schicksal dieser Menschen wird in dem Buch "Die Reise in die Ewigkeit. 70 Jahre Kladovo Transport" von Zeljko Dragic untersucht. Dem Historiker, seines Zeichens jüdischer Serbe, ist es wichtig den Lesern "wieder einmal vor Augen zu führen", wie es Menschen jüdischen Glaubens zur Zeit des Nazi-Regimes erging.

Nachdem die Flüchtlinge in Kladovo vergeblich auf ihre Weiterfahrt nach Palästina gewartet hatten, wurden sie erst recht Opfer der Nazis, als diese im April 1941 im damaligen Jugoslawien einmarschierten.

Die Männer der drei Schiffe wurden erschossen. Die Frauen und Kinder wurden im Jänner 1942 in ein nahe gelegenes KZ überstellt. Viele von ihnen erfroren oder starben an Unterernährung, die anderen wurden mit den Abgasen von Lastwagen ermordet.

Der Glaube an eine Weiterfahrt bis zum Schluss

Nur 230 Personen, großteils Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, war noch im März 1941 - kurz vor dem Einmarsch der Deutschen - die Flucht nach Palästina per Bus und per Bahn gelungen. "Die meisten der Flüchtlinge glaubten aber nach wie vor an eine Weiterfahrt mit den drei Schiffen", erzählt Dragic. Schließlich wurden nachkommende Boote auch nicht gestoppt. "Die Menschen auf dem Schiff haben sehr oft Boote mit anderen jüdischen Flüchtlingen gesehen, die an ihnen vorbeigefahren sind. Sie haben sich sogar gegenseitig gewunken", sagt der Buchautor, der in Wien lebt.

Warum allerdings nur diesen drei Schiffen die Weiterfahrt verwehrt wurde, weiß man bis heute nicht. Feststeht allerdings, dass Rumänien von Großbritannien angewiesen wurde, die Schiffe zu stoppen. Die Migration nach Palästina sei zu stark und die Unruhen zwischen Muslimen und Juden würden deswegen bereits zunehmen, hieß es seitens der damaligen Weltmacht.

Unwissenheit der Jungen über Nazi-Zeit

Für Zeljko Dragic ist es wichtig, mit dem Buch auch viele junge Menschen vom Balkan anzusprechen. Deswegen ist das Buch auf Deutsch, Englisch und auf Serbisch geschrieben. Die junge Generation wisse nur wenig über die Zeit des Nazi-Regimes, ist sich der Historiker sicher. Das sehe man auch daran, dass Menschen aus Ex-Jugoslawien in Österreich die FPÖ wählen, zeigt sich Dragic entsetzt. "Das ist für mich mehr als grotesk, weil aufgrund des Gedankenguts dieser Partei deren Großeltern umgebracht wurden. Und jetzt wählen die Enkel diese Partei, weil das große christliche Abendland beschützt werden muss. Vor wem, weiß ich nicht."

Gegen Faschismus sei keine Gesellschaft immun, betont Dragic. Wien war vor Hitler auch eine weltoffene Stadt. "Dumme Sprüche" der FPÖ, wie "Heimatliebe statt Marokkanerdiebe", würden das gesellschaftliche Klima aber vergiften. Man müsse daher dem rechtsradikalen Populismus entschieden entgegentreten.

Seit 2002 wird in Kladovo jedes Jahr eine Erinnerungswoche an den Kladovo-Transport abgehalten. Zeitzeugen geben bis heute auch amerikanischen Juden und zionistischen Organisationen die Schuld am Scheitern des Kladovo-Transports, weil sich diese nicht genügend für die Flüchtlinge eingesetzt hätten.