RBI-Chef Karl Sevelda hofft auf ein Ausbleiben der Sanktionsverschärfung gegen Russland.
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Wien. "Družba" ist das russische Wort für Freundschaft. Und die Drohgebärden aus der EU in Richtung Kreml und zurück könnten die österreichisch-russische Freundschaft etwas knicken. Aber noch ist es nicht so weit. Zumindest nicht beim Jour fixe der "Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft" (ORFG) im Palais Kaiserhaus in Wien am Donnerstagabend.
"Wir wollen keine Sanktionen gegen Russland", fasst Ludwig Scharinger, Präsident der ORFG den Grundtenor der Veranstaltung zusammen. Denn Sanktionen gefährden nicht nur die gute Freundschaft, sondern auch die Wirtschaft und die Geschäfte anwesender Wirtschaftstreibender. Heimische Banken haben bei einer möglichen Verschärfung der bestehenden Sanktionen gegen Russland einiges zu verlieren. "Sie brauchen heute als Banker starke Nerven", sagt Karl Sevelda, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International (RBI), im Rahmen seines Vortrags in der ORFG.
Geschlossene Filialen
Die RBI ist heute in 15 osteuropäischen Ländern tätig. Der mit Abstand wichtigste Markt ist noch immer Russland. Die Bilanzsumme dort beträgt im zweiten Quartal über 16 Millionen Euro. Das ist, trotz Ukrainekrise, höher als in jedem anderen Ostmarkt. Bisher halten sich die Folgen für die RBI in Grenzen. Ein Großteil ihrer Geschäfte sind von den bestehenden Sanktionen nicht betroffen. Trotz allem ist die Bank bei der Vergabe von Krediten, auch aufgrund der schwächelnden Konjunktur, vorsichtig geworden. In Russland hat die RBI offene Forderungen in Höhe von 10,3 Milliarden Euro. Der Großteil davon entfällt auf private Haushalte und etwa drei Prozent auf große Konzerne, so Sevelda.
Probleme gibt es derzeit vor allem in der Ukraine. In den Konfliktregionen im Osten müssen Filialen immer wieder geschlossen bleiben. Auf der Krim hat die RBI ihre 32 Geschäftsstellen schon verkauft, und zwar an eine noch nicht bekannte russische Bank.
Eine Verschärfung der Sanktionen könnte für die RBI unangenehm werden. Gemessen an der Kreditvergabe ist die Bank die zehntgrößte in Russland. Ihr Engagement in der Region ist fast schon historisch. "Die Raiffeisen war die erste westliche Bank, die damals (Anm.: nach der Wende) eine Lizenz für Russland bekommen hat", sagt der russische Botschafter in Österreich, Sergej Netschajew, im Rahmen der ORFG-Verantstaltung. Auch wenn RBI-Vorstand Sevelda nicht glaubt, dass sich die geplanten Sanktionen sofort auf das Raiffeisen-Geschäft auswirken, so warnt er vor mittelfristigen Folgen.
Russland leidet schon jetzt unter einer schwachen Konjunktur und Investorenschwund. Bis jetzt seien 72 Milliarden Euro an Investorengeldern abgeflossen. Im Zuge des Lebensmittel-Embargos sind die Lebensmittelpreise im August um 10 Prozent gestiegen.
Mehr Sanktionen
Die Sanktionsvorschläge der EU-Kommission hängen wie ein Damoklesschwert über dem Finanzsektor: Ein Handelsverbot für syndizierte Kredite würde russische Banken hart treffen. Die EU-Staaten könnten sich auf weitere Kontensperren und Einreiseverbote für Russen einigen. Zudem könnte der Handel zwischen Russland und der EU von Finanzprodukten mit einer Laufzeit von 30 und nicht wie bisher 90 Tagen untersagt werden. Das könnte auch die RBI treffen. Ein Teil ihrer Geschäfte hat nämlich eine kürzere Laufzeit als 90 Tage. Russischen Unternehmen könnten EU-Beihilfen verwehrt werden. Die wirklich harten Schläge kommen aber vorerst nicht. Russland wird nicht aus dem Swift-Transaktionssystem ausgeschlossen. Und auch die Gaslieferungen in die EU sind aus dem Sanktionsplan ausgeschlossen.
Seit Freitagnachmittag beraten die EU-Botschafter in Brüssel über das Sanktionspaket, zu dem noch keine Details bekannt sind. Möglicherweise könnte ein Inkrafttreten auch gar nicht zustande kommen. Ebenfalls am Freitag haben sich Rebellenvertreter und die ukrainische und russische Seite in Minsk auf eine Waffenruhe verständig. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel kündigte an, dass Strafmaßnahmen ausbleiben werden, wenn der Waffenstillstand hält.
Kalter Wind
Wenn nicht, dann kommt ein harter Winter auf die europäisch-russische Freundschaft zu. "Im Leid ertragen ist das russische Volk geduldiger", sagt Sevelda, der trotz allem am Russland-Geschäft festhält. Außerdem sei das Land auf Sanktionen vorbereitet. Russland habe eine Haushaltsreserve von 500 Milliarden Dollar. Die Russische Nationalbank greift den Staatsbanken Sberbank und VTB mit umfangreichen Hilfspaketen unter die Arme. Eine Sanktionsverschärfung würde also nicht die großen russischen Banken, sondern kleinere, private Finanzinstitute hart treffen, meint Sevelda. Außerdem bleiben schärfere Sanktionen nicht ohne Folgen. "Wenn es zu einer Aufstockung der Sanktionen kommt, werden wir reagieren", sagt Boschafter Nerschajew. Im Klub der österreichisch-russischen Freunde hofft man ohnehin, dass es erst gar nicht zu einer Verschärfung kommt und dass sich Brüssel und der Kreml doch noch irgendwie einig werden in der Ukraine-Frage.