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Die Duftsprachen der Tiere

Von Kerstin Viering

Wissen
Am Geruch ihrer Artgenossen erkennt die Hausmaus, wer warum hier war.
© corbis/Herman in den Bosch

Duftmarken verbessern den Fortpflanzungserfolg von Mäuse-Männchen.


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In der Parfümwerbung sieht es ganz einfach aus: Das richtige Wässerchen aufgetragen und schon schmilzt das andere Geschlecht dahin. Im realen Leben stellt sich Verführung schon komplizierter dar. Tatsächlich aber scheint ein Weg zu sexuellem Erfolg über die Nase zu führen - zumindest bei Hausmäusen. Dustin Penn und seine Kollegen von der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben herausgefunden, dass es für Nager-Casanovas ein recht simples Erfolgsrezept gibt: Je eifriger sie ihr Revier mit Duftbotschaften markieren, desto größer ist ihre sexuelle Attraktivität.

Der Erfolgsduft strömt aus dem Urin der Männchen. Was aus menschlicher Sicht eine ungewöhnliche Vorstellung ist, ist für viele Säugetiere eine gängige Methode, die Nasen ihrer Artgenossen zu erreichen. Ihr Urin ist keineswegs nur ein Abfallprodukt, sondern enthält dutzende von chemischen Signalen. Es entsteht eine Art Schwarzes Brett des Geruchs: Wann war ein Artgenosse hier? Welches Alter und Geschlecht hatte er? Könnte er eine Bedrohung darstellen, wäre er ein möglicher Partner? Wie steht es um seinen sozialen Status und sein sexuelles Interesse? All diese Informationen lesen Säugetiere aus den chemischen Botschaften der Düfte heraus. Oft erriechen sie sogar, wer die Nachricht hinterlassen hat.

Für Wissenschafter ist es aber keineswegs leicht, diese Mitteilungen zu entschlüsseln. Da sich Menschen mehr mit den Augen als mit der Nase orientieren, müssen sie ihrem wenig ausgeprägten Geruchssinn mit Gas-Chromatografen auf die Sprünge helfen, die die subtilen Feinheiten der tierischen Geruchssprachen wahrnehmen. Doch selbst wenn die Forscher den Duftcocktail in seine chemischen Bestandteile zerlegt haben, wissen sie noch nicht, was er bedeutet.

Relativ klar ist die Sache bei Männchen, die an strategischen Stellen ihr Revier markieren. Sie melden Besitzansprüche an und senden damit eine Warnung an mögliche Rivalen. Erdwölfe scheinen sich auf diese Weise vor allem gegen unerwünschte Übergriffe zur Wehr setzen zu wollen. Jedenfalls eilen sie an die Grenzen ihres Reviers und setzen neue Markierungen, sobald ihnen der Duft konkurrierender Nachbarn in die Nase steigt. Dachse dagegen versuchen, fremde Artgenossen mit ihren Düften in die Flucht zu schlagen. In beiden Fällen gilt: Konkurrenz belebt das Markierungsgeschäft. Diesen Effekt haben Dustin Penn und seine Kollegen auch bei ihren Mäusemännchen beobachtet. Jedes bewohnte ein eigenes Gehege und hinterließ dort seine Duftmarken auf Kunststoffplatten am Boden. Als die Forscher die Kacheln zwischen den einzelnen Domizilen austauschten, kurbelten die Tiere ihren Geruchswettstreit erst richtig an: Sie markierten häufiger und konzentrierten sich dabei vor allem auf die Grenzen ihres Territoriums.

Als Nächstes ließen die Forscher Mäuseweibchen in die Verschläge. Die Entscheidungen, ob sie mit den Revierbesitzern in Kontakt treten wollten, trafen die Besucherinnen offenbar durchaus mit der Nase. Solange es nicht um Sex ging, verbrachten die Weibchen ihre Zeit am liebsten mit Männchen, die nicht so viel Mühe in die Markierarbeit investierten. Als Vater für ihren Nachwuchs wählten sie jedoch vor allem die eifrigen Markierer aus. "Wir haben damit erstmals direkt nachgewiesen, dass Duftmarken den Fortpflanzungserfolg der Männchen verbessern", sagt Penn. Wenn ein Männchen zahlreiche Markierungen hinterlässt, gilt das bei Weibchen offenbar als Indiz für Gesundheit, Fitness und sonstige Qualitäten. Nicht jeder Bewerber kann es sich schließlich leisten, so viel Energie in Duftbotschaften zu investieren und dabei Feinde auf sich aufmerksam zu machen.

Doch warum sollten nur die Männchen auf diese Weise für sich werben? Paula Stockley und ihre Kolleginnen von der britischen Universität Liverpool haben die Duftbotschaften von Mäuseweibchen untersucht und sind dabei auf ähnliche Effekte gestoßen. Entscheidend für die Attraktivität eines Hausmaus-Weibchens ist demnach ein hoher Gehalt an bestimmten Proteinen in seinem Urin. Je mehr dieser "Major Urinary Protein" genannten Eiweiße die Tiere ausscheiden, umso weniger verschiedene Väter hat ihr Nachwuchs. Vor allem begehrte Männchen mit hohem Fortpflanzungserfolg scheinen Partnerinnen mit einem solchen "Qualitätsduft" gern für sich zu beanspruchen. Gleichzeitig verhalten sich diese Weibchen besonders aggressiv gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen. Mit ihrer Geruchsbotschaft signalisieren sie anderen Weibchen: Legt Euch lieber nicht mit mir an!

Mikroben für jeden Clan

Per Geruchsbotschaft lässt sich auch das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Hyänen produzieren in speziellen Drüsen unter ihrem Schwanz eine kräftig riechende Substanz, die sie an die Grashalme der afrikanischen Savanne schmieren. Dieser Cocktail aus flüchtigen Fettsäuren, Estern, Kohlenwasserstoffen, Alkoholen und Aldehyden wirkt wie eine Art duftender Personalausweis der Gruppe. Vor allem bei Tüpfelhyänen, die in Clans mit komplizierten Sozialstrukturen leben, hat jeder Clan seinen typischen Gemeinschaftsduft.

Die Forscher haben eine Idee, wie diese vielfältigen Duftbotschaften zustande kommen. In den Duftdrüsen der Tiere fanden sie zahllose Bakterien, die von Gärungsprozessen leben und dabei geruchsintensive Verbindungen ausscheiden. Wenn die Forscher Unterschiede im Hyänengeruch feststellten, fanden sie auch unterschiedliche Gemeinschaften dieser Mikroben. Wer das nun für eine anrüchige Erfindung hält, irrt: Penn hat auch den Geruch menschlicher Achseln chemisch analysiert und fand einen engen Zusammenhang zwischen Bakteriengemeinschaft und Duftnote.