Es ist ja legitim, der EU mit Skepsis gegenüberzutreten. Warum aber müssen Anti-Europäer wie Bloch, Kaczynski, Meciar gleich auch den ganzen Kram von extrem rechts feilbieten? | Jetzt haben die polnischen Wähler mit Jaroslaw Kaczynski wenigstens den einen des Zwillingspaares Kaczynski aus dem Regierungstempel vertrieben, der andere, Lech, bleibt Staatspräsident. EU-Beobachter, die in Brüssel die innenpolitische Lage in Europa analysieren, atmen auf und machen ein Hakerl: Wieder einer weg aus der Reihe der nationalen Machthaber, die ihr politisches Kleingeld mit einigermaßem skurrilen Nationalismus auf Kosten der europäischen Gemeinsamkeit verdienen.
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Ein Glück noch, dass sie nicht alle gleichzeitig auftreten, sondern ihre Präsenz auf der Zeitachse verteilen. Schon lange vor der EU-Erweiterung Richtung Osteuropa 2004 wurde der erste frei gewählte Regierungschef der Slowakei, der Exkommunist Vladimír Meciar, zum Alptraum aller, denen die europäische Einigung am Herzen lag.
Mein Gott Meciar! Ein autoritärer Amoklauf führte die Slowakei in den neunziger Jahren und bald auch Meciars "Bewegung für eine demokratische Slowakei" (HZDS) in die Isolation, weil sogar die Nato die Aufnahme der Slowakei so lange hinauszögerte, bis sie sicher sein konnte, im selben Paket nicht auch einen Regierungschef Meciar akzeptieren zu müssen.
Als die EU-Erweiterung Wirklichkeit wurde, war der Meciar-Zauber zum Glück der Slowakei vorbei. Innenpolitisch ist der Mann freilich noch immer unterwegs, aber die antieuropäische Stafette wurde vorübergehend an Polen abgetreten.
Knapp zwei Jahre sind beziehungsweise waren dort die Kaczynskis an der Macht - Staatspräsident Lech der eine, Ministerpräsident Jaroslaw der andere, und beide eines Sinnes, dass die EU dazu da sei, den nationalen Interessen Polens zu dienen. In Brüssel einen höheren Stimmenanteil zu verlangen, weil die Opfer Polens während des zweiten Weltkriegs einzurechnen seien - auf diese Idee muss jemand erst kommen. Die Kaczynskis taten es, möchten am liebsten auch die Todesstrafe wiedereinführen und haben das demokratische System des Landes so weit heruntergewirtschaftet, dass der tschechische Expräsident Vaclav Havel allen Ernstes meinte, man sollte Wahlbeobachter nach Polen schicken.
Wehren konnte sich die Europäische Union gegen die Kaczynskis so wenig wie bis 2006 gegen Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, denn die dazu gehörigen Staaten sind ja EU-Mitglieder und Italien ist sogar ein Gründungsmitglied. Was also tun mit einem Berlusconi, der mit zaristischen Anfällen in Politik und Medien den Führerkult in seiner "Forza Italia" kultivierte?
Einfach aussitzen, anders ging es nicht. Das zweite Halbjahr 2003, in welchem Berlusconi als turnusgemäßer Ratspräsident nicht zu vermeiden war, ging dank der Finesse der EU-Diplomatie ohne Katastrophe vorüber. Im EU-Parlament forderte er zwar den deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz auf, eine Filmrolle als KZ-Kommandant zu übernehmen, und daheim bezeichnete er die Richter als geistesgestörte anthropologische Sonderform der Menschheit. Aber wie man sieht - Berlusconi ist auch schon weg.
Allerdings rückt jetzt in der Schweiz der nationalkonservative Justizministers Christoph Blocher in den Vordergrund.
Die Schweiz ist wegen Blocher erst gar nicht in die EU hineingegangen, aber Brüssel möchte die Schweiz auch nicht einfach rechts liegen lassen. Also versucht sie nach dem Motto: besser die Schweiz draußen als Blocher drinnen, die pragmatischen Fast-Mitgliedschaft der Eidgenossen über die Runden zu bringen. Bis halt auch dort bessere, nämlich europäische Zeiten kommen.