)
"Monsterprojekt" der ÖH über NS-Zeit an den österreichischen Universitäten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Aufgrund des Zeitdrucks sei die Rechnung des "Monsterprojekts" nicht ganz aufgegangen, auch die Vergleichbarkeit der Rechercheergebnisse fehlt. Das gaben die Projektinitiatoren, das Vorsitzteam der Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) bei der Präsentation ihres Sammelbandes "Österreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert" zu. So kann etwa nicht gesagt werden, an welcher Universität während der NS-Zeit mehr indoktriniert wurde und an welcher weniger.
Dennoch ist das Projekt, das vor nur einem Jahr gestartet ist, aus mehreren Gründen bemerkenswert: Auch Unis ohne zeitgeschichtliches Institut waren beteiligt, etwa forschten TU- und Mathematikstudenten in Archiven zur oftmals vernachlässigten austrofaschistischen und NS-Geschichte ihrer Institute. Beteiligt haben sich 44 Studierende von 8 Unis, heraus kam eine fast 500 Seiten starke Publikation. Präsentiert wurde diese knapp vor den ÖH-Wahlen, die Diskussion moderierte Bettina Figl, Redakteurin der "Wiener Zeitung".
Das Projekt wurde von Historiker Oliver Rathkolb unterstützt, der umfangreichste der rund 30 Textbeiträge stammt von einer Gruppe Studierender der Uni Salzburg. Sie haben Biografien der Professoren an ihrer Uni durchforstet, die 1810 aufgelöst und erst 1962 wieder gegründet wurde. Sie erforschten, was diese Personen in der Zeit von 1938 bis 1945 gemacht haben und ob dies Konsequenzen für ihren späteren Lehrauftrag hatte. Selbst Heinrich Schmidinger, Präsident der Universitätskonferenz und Rektor der Uni Salzburg, gestand, dass er nicht wusste, dass der vor drei Jahren verstorbene Psychologieprofessor Gerhart Harrer ein SSler war.
Eine Arbeit über das Mozarteum Salzburg ergab, dass es während des Krieges fast nur noch Frauen an der "Reichsmusikhochschule" gab und dass das Bild der Musikstudentin als "Hausfrau und Volksmusikerin" propagiert wurde. An der Uni für Musik und Darstellende Kunst (MDW) in Wien wurde das Fach "Musik und Rasse" eingeführt, an der Uni Innsbruck die Volkskunde.
Der fehlende Widerstand
Die Frage nach Widerstand konnte nicht beantwortet werden. "Den gab es schon, aber die waren dann meist dem Austrofaschismus nahestehend", so Professorin Cornelia Szabo-Knotik, Institutsvorständin am Musikgeschichteinstitut der MDW. So soll Josef Marx einmal den Hitler-Gruß verweigert haben, "für Außenstehende zählt er schnell einmal als Widerstandskämpfer, wir wissen aber, dass er dem Austrofaschismus nahestand". Über eines herrschte am Podium Einigkeit: Es wird weitergeforscht, ein Fortsetzungsband wurde gefordert. "Schauen wir einmal, wie die Wahlen ausgehen", so der Projektverantwortlicher Martin Schott in Hinblick auf die ÖH-Wahlen von 14. bis 16. Mai.
"Die Österreichischen Hochschulen im 20. Jahrhundert. Austrofaschismus, Nationalsozialismus und die Folgen", Facultas Verlag.