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"Das ist die Würze Ostafrikas, das Temperament Mittelamerikas und das Feuer Brasiliens." So heißt es in einem Werbespot. Von der "Würze", dem "Temperament" und dem "Feuer" spüren Kaffeebauern in der Regel nichts - viele sind damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Der durchschnittliche Preis für eine Maßeinheit (45,4 Kilogramm) Rohkaffee liegt weit unter jenem, der die reinen Anbaukosten decken würde. "Die Produktionskosten liegen ungefähr bei 80 US-Dollar pro 45,4 Kilogramm. Aber der derzeitige Weltmarktpreis von 68 US-Dollar pro 45,4 Kilogramm Arabica Hochlandkaffee ist katastrophal", berichtet Gerd Haslinger, Mitarbeiter der österreichweiten größten Import-organisation für den Fairen Handel "Entwicklungszusammenarbeit (EZA) 3. Welt".
Alle Macht den Konsumenten?
Es scheint, als ob "alle Macht" in den Händen der Konsumenten liegen würde: Die Konsumenten bräuchten nur verstärkt zu fair gehandelten Waren greifen und somit all jenen, für die Mensch und Natur ausgebeutet werden, eine klare Absage erteilen, heißt es von vielen Seiten. Bloß: Lassen billigere und/oder viel beworbene Marken-Produkte neben verhältnismäßig teuren, wenig bekannten Waren im Supermarktregal dem Einkäufer eine echte Wahl? Sind nicht auch andere Rahmenbedingungen gefordert? "Man kann politisch überhaupt nichts machen", sagt Bettina Gusenbauer vom Informationsbüro der Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Einzelne Produkte gegenüber anderen zu bevorzugen, sei nicht möglich. "Sollten staatliche Regelungen des fairen Handels eingeführt werden, so müssten dabei die jeweiligen WTO-Verpflichtungen berücksichtigt werden, um insbesondere die Transparenz und Nichtdiskriminierung solcher Regelungen zu gewährleisten", heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission an den Rat. Gusenbauer: "Fairer Handel funktioniert nur über Vorbildarbeit und Meinungsbildung."
Einem Bericht aus dem Jahr 2002 von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner zu Folge können Bundeseinrichtungen im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens fair gehandelten Kaffee kaufen, sofern der Auftragswert nicht die Summe von 162.293 Euro pro Ressort (üblicherweise für ein Jahr) überschreitet. "Wir mussten juristisch belegen, dass das nicht den EU-Ausschreibungsrichtlinien widerspricht", berichtet Gusenbauer. "Mit fairem Handel allein wird man die aktuelle Kaffeekrise nicht gelöst bekommen", sagt Andrea Reitinger, für die Öffentlichkeitsarbeit der EZA 3.Welt verantwortlich.
"Die Verschuldungsproblematik ist daran gekoppelt: Die kaffeeproduzierenden Länder hängen oft in hohen Maß vom Kaffeeexport ab. Sie brauchen Devisen, um ihre Schulden zu begleichen. Es gibt also nicht die eine Lösung aus der Krise. Es bedarf eines Maßnahmenpakets. Dazu gehört sicher die Unterstützung von Diversifizierungsmaßnahmen, dass die Bauern nicht nur von einem Rohstoff abhängig sind, genauso wie eine langfristige Strategie, um den Kaffeemarkt nicht dem freien Spiel der Marktkräfte zu überlassen. Denn was dabei herauskommt, sehen wir derzeit."
125 Mill. Menschen betroffen
Für den niedrigen Preis sind laut Haslinger mehrere Gründe verantwortlich: "Zum einen sind es die Spekulationen, die den Preis drücken, beispielsweise ist die Immobilienbranche in das Spekulationsgeschäft eingestiegen. Zum anderen gibt es ein massives Überangebot: Die Weltbank hat Vietnam gepusht." Diese Vorwürfe weist die Weltbank aber zurück: Die Kaffeeproduktion werde wesentlich von der Regierung in Vietnam unterstützt - nicht die Weltbank durch ihre Programme trage die Verantwortung, auch wenn zwei Projekte indirekt mit Kaffee in Verbindung gebracht werden könnten. Fest steht: In Vietnam wird erst seit zehn Jahren Kaffee angebaut und innerhalb dieses Zeitraums wurde die Anbaumenge verzehnfacht. Heute ist das Land zweitgrößter Kaffeeexporteur der Welt.
Die Weltbank ziehe sich aus der Verantwortung, meint Haslinger: "Die Weltbank schlägt einem Land einen Maßnahmenkatalog vor. Hält es sich nicht daran, gibt es vom Internationalen Währungsfonds keine Kredite."
Für über 125 Mill. Menschen bildet Kaffee die Lebensgrundlage. 90 Prozent der Landarbeiter in Nicaragua, die ihr Geld mit der Kaffeeernte verdient haben, sind zur Zeit ohne Verdienstmöglichkeit. Auf die Produktion eines anderen landwirtschaftlichen Guts umzusteigen sei in den meisten Fällen unmöglich, erzählt Haslinger. Die Arbeits- und Landlosen ziehen in die Städte - und sind auch dort ohne Arbeit und ohne Dach über dem Kopf.
Gregorio Méndez Moreno, Kaffeeproduzents aus Mexiko, beschreibt die Situation für Kaffeebauern in seinem Heimatland ähnlich: Jene, die weiterhin Kaffee anbauen, machen große Verluste. Die Lage zwinge sie, ihre Ware so schnell wie möglich - häufig bereits vor der Ernte - zu verkaufen, um Geld zu bekommen. In der Position, höhere Preise zu verlangen, befänden sie sich nicht.
Bruno Alvarez, Kaffeebauer aus Guatemala, berichtet: "Die aktuelle Kaffeekrise trifft mein Land sehr hart. Es gibt eigentlich keine Worte, um die unwürdige Situation zu beschreiben, unter der diese Menschen leben müssen. Die großen Importeure interessiert diese dunkle Seite der Kaffeekultur anscheinend nicht."
Kein schlechtes Gewissen
"Das ist ein heikles Thema", heißt es bei Kraft Foods Österreich (Jacobs, Café Hag) dazu. Eine weitere Stellungnahme will man nicht abgeben. Auch der Geschäftsführer des österreichischen Kaffee- und Teeverbandes, Helmut Grafinger, sagt: "Wir sollten das im Vorstand besprechen. Das heißt aber nicht, dass wir ein schlechtes Gewissen haben."
Haslinger meint: "Man kann sich einiges denken bei Angeboten wie ,nimm zwei, zahl eins'. Kein Handelsunternehmen schenkt etwas her, es muss also sehr billig an den Kaffee gekommen sein. Selbst wenn die Preise steigen, muss das nicht heißen, dass Kaffee für den Konsumenten teurer wird oder die Bauern mehr verdienen".
Fair Trade
Zentraler Punkt des Fairen Handels ist eine "angemessene" Bezahlung aller am Handel beteiligten. Der Fair Trade-Preis bezeichnet den errechneten Wert, der notwendig ist, damit die Produzenten davon leben können, soziale Mindesstandards eingehalten werden und die Natur nicht ausgebeutet wird. Der Fair Trade-Preis für Kaffee beträgt 121 US-Dollar pro 45,4 Kilogramm plus 5 US-Dollar Fair Trade-Prämie. Steigt der Weltmarktpreis über 121 US-Dollar, erhalten Fair Trade-Bauern den jeweiligen Weltmarktpreis zuzüglich der 5 US-Dollar Fair Trade-Prämie.
Mindestpreise, direkter Marktzugang, Vorfinanzierung und der Aufbau langfristiger Handelsbeziehungen sind einige Garantien des Fairen Handels. Zu erkennen sind fair gehandelte Lebensmittel im Supermarkt am Fair Trade-Siegel. Eine große Auswahl an Fair Trade -Produkten gibt es in den "Weltläden".
Kaffeehandel
Kaffee wird an Börsen gehandelt: Warentermingeschäfte und Spekulationen finden an den Börsen von New York (hauptsächlich die Sorte Arabica) und London (vornehmlich Robusta) statt. Hier werden die Eigentumsrechte an einer bestimmten Menge einer bestimmten Kaffeesorte beliebig oft gehandelt. Vier Faktoren bestimmen den Preis am Weltmarkt: Die Menge des weltweiten Angebots, die Höhe des Konsums, Spekulationen sowie nationale und übernationale Versuche, die Preise zu stabilisieren. Die Internationalen Kaffeeabkommen ab 1962 zwischen Verbraucher- und Produzentenländern sollten den Kaffeepreis durch Quotenregelung und Preisrahmen stabilisieren. Aus verschiedenen Gründen platzte das letzte Abkommen Ende der 80er Jahre - die USA etwa sahen es als nicht konform mit den Prinzipien der Marktwirtschaft an. Seit dem 4. Juli 1989 unterliegt Kaffee wieder vollständig dem freien Markt.